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Etwa um 120 — so möchten wir unten S. 115 ver-
muten — wurde die Holz-Erde-Umwehrung von einer
Mauer mit dahinter angeschüttetem Wall ersetzt. Es
bleibt freilich ungewiß, ob diese Arbeiten noch von
der 5. Delmaterkohorte verrichtet wurden oder
schon von der neuen Truppe, der coh. I Helvetiorum.
In den Flächen 1 u. 4 legten wir die Fundamente
der Kastellmauer, der beiden steinernen Tortürme
und der die Türme verbindenden Zwischenmauer
frei (Taf. 32, 2). Die letztgenannte trug jedoch außer
in ihrem Mittelstück ehedem kein höher hinauf-
gehendes Mauerwerk, sondern diente nur dazu, Tor-
pfannen und unter Umständen noch mittlere Verrie-
gelungen der Torflügel aufzunehmen. Die beiden
Steintürme hatten an ihren hinten gelegenen inneren
Ecken je eine bis ins Fundament hinuntergeführte
Mauervorlage, die, womöglich in Verbindung mit
dem Mittelpfeiler zwischen beiden Türmen, eine
Verriegelung der Durchlässe zu halten hatte. Dieser
Stützpfeiler erfüllte dieselbe Aufgabe wie beim äl-
teren Erdkastell die zwei Mittelpfosten und trug die
Überbrückung des Torwegs (etwa in Höhe des Wehr-
ganges auf dem Erdwall). Vielleicht wurde der Über-
bau von aus Steinen gewölbten Bögen getragen, mög-
licherweise jedoch nur von einfachen Balkenunter-
zügen. Der Pfeiler war im Fundament deutlich auf
ein Rechteck von 2,10 : 1,20 m begrenzt. So blieben
für den westlichen Torweg nur 2,50 m übrig, für den
östlichen aber noch 3,10 m.
Das Nordtor des Steinkastells sieht also ganz an-
ders aus, als es Steimle seinerzeit analog zum Südtor
angenommen hatte. Auch bezüglich der Wehrgräben
erwiesen sich seine Angaben als nicht ganz richtig:
Das ältere Erdkastell hatte wahrscheinlich nur einen
Graben, der vor dem Nordtor unterbrochen war und
wohl einmal bei einer Reinigung nicht mehr ganz bis
zu seiner Spitze ausgehoben worden war, so daß im
Schnitt (Abb. 12 unten) zwei verschieden eingefüllte
Grabenspitzen übereinander zu sehen waren (Nr. 1
und 2), zu denen als Nr. 3 noch die des späteren Stein-
kastells kommt (Taf. 32, 1). Dieses Steinkastell um-
gaben jedoch zwei umlaufende Spitzgräben, von
denen mindestens der innere vor dem Nordtor im
Gegensatz zu den Angaben im Limeswerk unter-
brochen war. Das scheint auch bei dem weniger brei-
ten äußeren der Fall gewesen zu sein. Doch konnten
wir das auf dem Gelände der Firma Tuchei-Kontakt
nicht nachprüfen.
Nach der Verlegung der 1. Helvetierkohorte dürf-
ten die Kastellanlagen als fiskalischer Grund und
Boden sicher noch eine Zeitlang von der Verwaltung
zu anderen Zwecken weiterverwendet worden sein.
Jedenfalls fanden wir bei unserer Grabung in der

Südwestecke der Fläche 1 deutlich abgegrenzt eine
rechteckige Kellergrube, die noch am Ende des 2.
oder im Anfang des 3. Jahrhunderts benutzt worden
sein muß. Sie dürfte ihrer Richtung nach zu einem Ge-
bäudekomplex gehören, der nach der Auflassung des
Kastells von Süden her gegen das Tor gebaut wurde
und von dem die zwei flach fundamentierten Mauer-
reste herrühren, die in Fläche 1 an die südwestliche
Ecke des Ostturms und in Fläche 4 gegen den Pfeiler
gesetzt worden sind (Abb. 12).
Die Bedeutung dieses Anbaues aus der Zeit nach
dem Abzug der Kohorte kann vorerst nicht geklärt
werden, weil dazu die Grabung nach Süden hin er-
weitert werden müßte. Wichtig ist jedoch, daß sich
1958 im Bereich des von uns nur zum Teil untersuch-
ten westlichen Torturms ein größeres Depot von
eisernen Gerätschaften fand, über die in einem der
nächsten Bände der Fundberichte aus Schwaben be-
richtet werden soll. Man könnte daran denken, daß
das Kastell nach der Mitte des 2. Jahrhunderts viel-
leicht zur Versorgung der vorn am Limes liegenden
Truppen diente und daß der von uns untersuchte
Platz ein Magazin, eine Schmiede oder etwas ähn-
liches beherbergte, wofür man gewisse Umbauten im
früheren Kastell vornahm.
Auch im Kastell Rißtissen an der oberen Donau
haben es die Ausgrabungen von G. Mildenberger im
Jahre 1959 wahrscheinlich gemacht, daß dort im An-
schluß an das Mittelgebäude der 2. Kastellperiode
ein Steinbau entstand, den man ebenfalls als fiska-
lisches Magazin oder etwas Verwandtes deuten möch-
te210. Dabei braucht man keineswegs nur an eine Ver-
wendung durch das Militär zu denken. Beide Fälle
lehren jedenfalls, wie falsch es sein kann, bei anderen
Kastellen im Hinterland, deren Baugeschichte nicht
bekannt ist, aus den spätesten Funden einfach auf
das Datum ihrer Auflassung zu schließen, gleichgül-
tig nun, ob es sich dabei um Münzen oder Keramik
handelt. Darauf wurde auch S. 87 schon im Falle des
Wetteraukastells Okarben hingewiesen. Hier gibt es
aber, wie mir scheint, letztlich auch Grenzen des mit
unseren Methoden Erforschbaren.
Wann ist nun in Heilbronn-Böckingen zum ersten-
mal mit einer militärischen Besetzung durch die Rö-
mer zu rechnen? Als W. Schleiermacher im Jahre 1934
zusammenfassend im Limeswerk über die Strecke 11
berichtete, waren außer in Stuttgart-Bad Cannstatt
so gut wie keine Anhaltspunkte für die Zeit bekannt,
in der die Kastelle zwischen Köngen und Wimpfen
errichtet wurden211.

210 Germania 39, 1961, 83 ff.
211 ORL. AV Strecke 11 S. 33. Ebenso 33. Ber. RGK.
1943-50 (1951) 139.

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