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Deutscher Museumsbund [Mitarb.]
Museumskunde: Fachzeitschrift für die Museumswelt — 2.1906

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Lauffer, Otto: Moritz Heyne und die archäologischen Grundlagen der historischen Museen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69284#0161

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Lauffer, Moriz Heyne und die archäologischen Grundlagen der historischen Museen

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MORIZ HEYNE UND DIE ARCHÄOLOGISCHEN
GRUNDLAGEN DER HISTORISCHEN MUSEEN
VON
OTTO LAUFFER
Am 1. März 1906 ist Moriz Heyne in Göttingen gestorben, und an seinem Grabe
trauern in gleicher Weise die Vertreter der Germanistik wie die der deutschen
Museologie. Zweien Wissensgebieten zugleich ist er entrissen worden: in dieser
Tatsache dokumentiert sich am deutlichsten das charakteristische Wesen seiner
Arbeit, darin zeigt sich auch am klarsten die Hauptstärke seiner wissenschaftlichen
Persönlichkeit. Und das ist vor allem das Betrübende, daß mit seinem Tode eine
geistige Kraft erloschen ist, die wir in Deutschland bislang nur in ihm allein
besessen haben. Er hatte seine wissenschaftliche Spezialität, in der ihm von
seinen Kollegen kein Nebenbuhler, von seinen Schülern bis jetzt kein ebenbürtiger
Nachfolger erwachsen ist. Er verfügte in derselben Weise über die Kenntnis der
deutschen Sprache und geistigen Kultur wie über diejenige der deutschen Alter-
tümer. Wörter und Sachen waren ihm in gleichem Maße vertraut, und das war
das Sieghafte in Heynes wissenschaftlicher Eigenart, daß er jene beiden Interessen-
gebiete nicht etwa nebeneinander pflegte, wie jemand zwei Eisen zugleich im
Feuer hat, sondern unter seinen Händen verschmolzen sie zu einer höheren Einheit.
So ist es mit gutem Grunde geschehen, wenn er in diesem seinen eigensten Fach
die höchste wissenschaftliche Wertschätzung erfahren hat.
Die Art, wie Heyne zu der geschilderten Sonderstellung gekommen ist, hängt
aufs engste zusammen mit der Geschichte seines Bildungsganges. Das Schicksal
hat ihn früh gezwungen, seine eigenen Wege zu wandeln. Am 8. Juni 1837 zu
Weißenfels als Sohn eines Seilermeisters geboren, war er genötigt, nach erlangter
Primareife die Lateinschule zu verlassen. Eine Reihe von Jahren war er im Kanzlei-
dienst tätig, bis ihm glücklichere Verhältnisse gestatteten, im Herbst 1860 die
Universität zu beziehen. Im Jahre 1863 wurde er, nachdem er durch Ministerial-
erlaß vom Maturitätsexamen befreit war, zum Doktor promoviert, und sein Fleiß
und seine ungewöhnliche Selbständigkeit werden am besten durch die Tatsache
bewiesen, daß er schon damals auf zwei umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten,
darunter die Beowulf-Ausgabe zurückblicken konnte. Von seinen Lehrern hat ihn
nur Heinrich Leo nachhaltig beeinflußt, aber sein eigentliches wissenschaftliches
Gepräge hat er sich selbst erarbeitet, und diese in der Jugend erkämpfte selb-
ständige wissenschaftliche Überzeugung hat er sich zeitlebens bewahrt. Sie hat
ihm auch die Kraft gegeben, unbeirrt seinen eigenen Zielen nachzustreben zu einer
Zeit, wo die gesamten übrigen Vertreter der Germanistik mit wissenschaftlichen

Museumskunde. II, 3.

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