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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — [1].1902-1903

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Weitbrecht, Carl: Aesthetik und Mode, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7714#0216

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Heftbetik und JVIode.

fondern an die äufseren oder inneren Sinne, an das, was man
pfyebologifcb die Hnfcbauung nennt; und den Hnfcbauungen,
welche die )VIode bietet, werden gewiffe Gefühlswerte beigelegt,
die wir mit den Husdrücken des Hngenebmen, (Xlohlgefälligen, Hn-
ziebenden, Reizenden, des Bübfcben, fetten, Zierlichen, ja gar des Hn-
mutigen und Schönen bezeichnen — gegebenenfalls natürlich gebraueben
wir auch die entgegengefetzten Husdrücke, finden das, was uns die
JMode vor die Hnfcbauung führt, unangenehm, mifsfällig, unfebön,
bäfslicb, etwa auch komifcb oder dergleichen. Qm ein Gefallen-
wollen bandelt fiebs bei allen JVIodefacben, wenn auch tbaträcblicb
der Zweck nicht erreicht wird oder das beabfiebtigte Klobigefallen
in fein ©egenteil, ins JVIifsfallen umfeblägt. Und zwar gilt das für
alle die vermiedenen Cebensgebiete, auf denen es JModen giebt: denn
es giebt ja nicht nur Kleidermoden, an die wir freilich zuerft
und zunäcbft denken, wenn von der jVIode die Rede ift; JVIoden
giebt es auf allen Gebieten des täglichen Cebens, foweit wir
diefes nicht nur praktifcb oder verftändig, fondern auch wohlgefällig
zu geftalten beftrebt find; es giebt Sittenmoden, die fieb auf
unfer äufseres Benehmen, unfere Gewohnheiten, unfer gefelliges Ceben
und feine Umgangsformen, unfere Vergnügungen und Ciebbabereien
erftreeben; es giebt auch geifttge JVIoden, die vorfebreiben wollen,
wofür man fieb gerade geiftig intereffieren foll, wie und an was
man feine geifttge Bildung zu zeigen habe denn ums Zeigen
bandelt fiebs auch hier; es giebt JVIoden in Kunft und Kliffen-
febaft, JVIodegefcbmack in der Kunft, JVIodemetboden in der öltffen-
febaft; es giebt fogar politifebe und religiöfe JVIoden, denn auch
in Politik und Religion wird fo vieles nur zeitweilig zur Schau
getragen, weil es für einige Zeit lang gefällt und fieb gut zu machen
febeint. Um welches Cebensgebiet fiebs aber bandle, nie und nirgends
will die JVT.ode ungefeben im Dunkeln bleiben, niemals begnügt fie
fieb in der Stille damit, da Ts etwas fei und fo fei, niemals gebt fie
darauf aus, dafs die Sache recht und gut und wahr und vernünftig
fei — fondern gefeben foll etwas werden, vor die äufsere oder innere
Hnfcbauung foll es treten, Gefallen foll es erregen und fei's auch
nur vor dem Spiegel. Daran kann kein Zweifel fein, denn es liegt
im Siefen der JVIode; aber ebenfo feft ftebt von vornherein das
Hndere: wo Sinneseindrücbe, wo Hnfcbauungen und ihre Gefühls-
werte in frage kommen und nur fie, wo fiebs ums Äloblgefallen
 
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