Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 2.1903-1904

DOI Artikel:
Die Textilien-Ausstellung in der König Karl-Halle
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6374#0146
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
13(5

Die CextiUen-HuafteUung in der König Karl-Dalle.

?üien. * Ö3»r beneiden ganz befonders die alten orientalifeben f ärber um
ihre guten farbenrezepte, mit denen fie (Holle und Seide derart balt-
bar färben konnten, dafs uns felbft beute noch nach 700 bis 1800 Jahren
ihre färben durch fatte Ceucbthraft entzücken. 6s irt ganz merk-
würdig, wie diefe Orientalen, jedenfalls ohne befondere tbeoretifebe
Belehrung über Heftbetik und ornamentale formenlebre, ftets das
Richtige getroffen haben, dafs fie nie die Grenzen der Cecbnik über-
febritten haben, fondern aus ihr wie felbftverftändlicb das Ornament
entwickelten. leb febe hier ab von der verzerrten gobelintecbnifcben
Sliedergabe der menfeblicben und tierifeben figuren auf den ägyp-
tifeben Cuniken aus der byzantinifeben Zeit, wo die Kleinheit der
Zeichnung keine korrekte ?üiedergabe zuliefs und denke vielmehr an
die fyrifeben und perfifeben Ceppicbe mit ihrer aus der Knüpftechnik
entfprungenen geometrifcb ftilifierten pflanzen- und Cierornamen-
tierung, wie fie defto feiner und beweglicher gehalten tft, je feiner
die Knotung, und umgekehrt, wie fie defto gröber und geradliniger
ift, je gröber das JVIaterial. Randelt es fieb aber um ganz feine
Seidengewebe, wie fie zwei turkeftanifebe indifcb gemufterte Schärpen
vom achtzehnten Jahrhundert repräfentieren, fo ift der zierlicbfte
JVIafsftab gewählt und der feinfte Schwung der Cinien in vollendeter
Zeichnung wiedergegeben.

i' M'

Tergleicben wir mit diefen alten Zeugen einer gefunden textilen
Kunft im Orient die ausgeftcllten neuen rtiliftifcben ©ewebe, welche
teilweife genaue Kopien von biftorifeben Reften in Ornament, JVIaterial
und Cecbnik find, To finden wir es bei den gefunden ©rundfätzen,
die die Torbilder diefer Stoffe verfolgten es find fcbliefslicb
diefelben, die wir eben beim Orient kennen lernten , begreiflich,
dafs fie in dem taftenden Sueben unferer Zeit, in der Ermanglung
einer eigenen künftlerifcben Sprache entftanden find, und man kann
in den Torlagen diefer Grzeugniffe immer noch den feften pol, den
Ricbtungsftern erblicken, wenn das Ornamentfcbifflein unferer Zeit
in den wecbfelvollen Stögen der JVIodericbtungen den rechten Kurs
manchmal zu verlieren febeint. Hber nicht mit dem fklavifcben Nach-
ahmen der biftorifeben Stile ift es getan, diefe Zeit ift nunmehr

* ein beTonderer Hrtihel über (liefe Sammlung Toll im näcbrten f)eft erfebeinen. einTt-
weilen geben wir die Hbbildung Seite 137, die uns von F>crrn profelTor Cbeodor <3raf in Glien
freundlicbft übcrlalTen wurde.
 
Annotationen