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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 2.1903-1904

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Bach, Max: Der angebliche Irene-Ring
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https://doi.org/10.11588/diglit.6374#0267
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Der angebliche Xrene-Ring im Klofter Corcb.

bei näherer Berichtigung der Details fofort gegen die Hnnahme
byzantinifeber fierkunft fpriebt. In der JHitte des Ringes befindet
fieb ein ovales Scbeibcben mit dem bebannten I H S, Gold in febwarzem
6mail; daran fcbliefst Heb rechts die jVIadonna in blau emailliertem
Kleid mit grünem Hermel, das nackte Kind haltend; auf der andern
Seite ift ein blau emailliertes Kreuz mit goldener Raffung, welches
in eine rot emaillierte Ceiter eingreift, daran fcbliefsen fieb an: Beifs-
zange und Rammer, diefer blau, die Zange weifs, und drei weifse
Klürfel. Den Scblufs bildet ein Ornament, welches aus zwei durch
einen Ring zufammengebaltenen Büfcbeln, die vielleicht Ruten vor-
teilen follen, gebildet wird.

Der Stil des ganzen Ringes bat offenbar nichts febr Hltertüm-
licbes, febon die dünne, gleicbmäfsige form, ohne Reliefplaftik ein
einfaches Reifeben ohne Körper, weift auf fpäte Zeit.

6ine weitere Bandbabe zur Be-
ftimmung des Stiles bilden aber die
fogenannten Klaffen Cbrifti: Ceiter,
Slürfel, Bammer und Beifszange.
Diefe Ceidenswerkzeuge kommen tat-
fäcblicb erft feit dem Beginn des fünf-
zehnten jfabrbunderts als Gmbleme des Ceidens Cbrifti auf Kunftdar-
ftellungen vor, älter ift das bekannte Signum 1 H S, das Sonogramm
Cbrifti, doch wird auch diefes im frühen Mittelalter noch feiten an-
gewendet, zumal nicht in Byzanz, wo das X P S ftets eine grofse Rolle
fpielt.* Gewöhnlich wird diefes Sonogramm fo gebildet, dafs das P
(R) in der JVIitte des X (Ch) gefetzt war. Still man den Ring als byzan-
tinifebe Hrbeit in Jlnfprucb nehmen, To dürfte in erfter Cinie diefes
JVTonogramm nicht fehlen; aber auch die JNIadonna mit dem Kind und
alles übrige ift keineswegs byzantinifcb, wenn auch einzelne formen,
wie zum Beifpiel das ftolaäbnlicb zugefebnittene Kleid der JNIaria etwas
Hrcbaifcbes an fieb trägt. JNIan darf aber nicht vergeffen, dafs diefes
JVIotiv eben durch die Cecbnik des Gmailleurs bedingt ift; es ift Zellen-
fcbmelz (6mail cloifonne) und war in diefer Hrt leichter zu bearbeiten,
als wenn der Künftler komplizierten faltenwurf angewendet hätte,
was bei dem kleinen JHafsftab febr febwierig gewefen wäre.

Der Ring ift wabrfcbeinlicb erft ans Gnde des fünfzehnten oder

* Stockbauer, Kunftgefcbicbte des Kreuzes; Otte, Kunftarcbäologie I, Seite 401,
541; -fritfebe, das JVIonogramm Cbrifti 1877; Organ für cbriftlicbe Kunft 1868, JSr. 14.
 
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