Über die lat.-rom. Elemente im Wortschatz der nassauischen Mundarten. 95
rieth 92. — Pater noster 1. in K. 295 u. Anhang 38: nostern (Limburg,
Idstein, rhein., unterrhein.) „gedankenlos, unandächtig beten“. 2. in K. 297:
Nüstern pl. „Wachsperlen“ (ursprünglich wohl — Perlen des Rosen-
kranzes). In der Dillgegend heissen alle Perlen „Nistern“. Hottenroth,
die nassauischen Volkstrachten, S. 101; Crecelius II, 649; Vilmar 288.
Anderswo hat Pater die Bedeutung „Perle“ angenommen. Autenrieth 108.
— K. 305: peccare > pexieren (rhein.) „etwas Böses tun“. — perturbare >>
K. 304: pertewieren (Weilburg) „quälen, keine Ruhe lassen“. — mlat. poeni-
tentia > K. 304: Penetenz, Pcnitenz f. (rhein.) „peinliche Verlegenheit“.—
positura „Stellung“ 1. > K. 310: die Uhr hält die Positur, d. h. geht eine
Zeit wie die andere; 2. > K. Anhang 41: „grosse Gestalt“ (unterrhein.). —
lat. pnllns „junges Huhn“; nach Ph. Keiper, Zeitschr. f. d. Mundarten 1907,
S. 186. >• K. 306: Pilche n. „Hühnchen“. Keiper gibt weitere Belege aus
deutschen Mundarten. — mlat. praeatnbnlum )> spätmhd. preambel, priamel,
Gedichtform, die darin besteht, dass auf viele aneinandergereihte Vordersätze
ein kurzer Nachsatz gesetzt wird (Meistersinger!) > K. Anhang 17: Priam-
bel, Gepriambel ntr. (rhein.) „langweiliges und unnötiges Geschwätz“. —
K. 316: quaestio )> Quästionen pl. „bedenkliche Lage“. — lat. scabellum
(oder ital. scabello?) > K. 338: Schabellchen n. (rhein.) „Schemelstühlchen“.
Crecelius II, 713; Vilmar 339, 343; Autenrieth 121. — Nach John Ries (Paul
u. Braunes Beiträge XX, 574) hat äl Schawell (Ems) „alte Jungfer“ mit
obigem Worte nichts zu tun, sondern ist entlehnt aus zigeunerisch tschawalle.
Ebenso möchte Ries Schawelenter (K. 342; Anhang 45) „Liebhaber
eines Mädchens“ (Caub) zu diesem Ausdruck in Beziehung setzen. — mlat.
sperantia > Schberänse (pl.) Ems „Umschweife“. Weigand II, 911.
— strangulare „würgen, quälen“ )> K. 395: strangulieren (rhein.) „er-
würgen“; K. 396: strengelieren (rhein.) „abmühen, quälen“. Crecelius II,
817. — gr.-lat. theca > K. 404: Thek f. „Ladentisch“, vgl. S. 89. —
tormentum „Zwang, Marter, Qual“ > K. 406: Tormente pl. „Schaden,
Quälerei“. — tribulare „drücken, pressen“ > K. 409: tribelieren „beun-
ruhigen, quälen“. Kluge 464; Crecelius I, 296; Autenrieth S. 36, 142. —
vagari > K. 420. Vagiern (rhein., unterrhein.; Ems: herumfachieren),
„mit den Händen in der Luft hin und her fahren, besonders bei lebhaftem
Sprechen“. D. Wb. XII, 6. — virgas „Ruthen“ nach Kehrein 434 in Virgass,
Virjass (rhein.), Verjass (Weilburg) pl. „Schläge“ (?); Kehrein (Anhang 55.)
vergleicht: lat. turbas > Turbass m. (unterrhein.) „Unruhe, Lärm“ (?). — K. An-
hang 57: mlat. visura in: „in die Visur (d. h. zu Gesicht) bekommen“ (unterrhein,).
B. Die französischen Elemente.
I. Entlehnungen der mhd. Periode.
§ 9, In grösserem Umfang wurden frz. Worte zuerst zur Zeit der Kreuz-
züge der deutschen Sprache zugeführt.13) Für die deutschen Mundarten kommen
13) Vgl. J. Kassewitz, Die frz. Worte im mhd., Strassburger Diss. 1890, dazu Anz. f.
d. Altertum XIX (1893) S. 44—52. — Th. Maxeiner, Beitr. zur Gesch. der frz. Worte im
rieth 92. — Pater noster 1. in K. 295 u. Anhang 38: nostern (Limburg,
Idstein, rhein., unterrhein.) „gedankenlos, unandächtig beten“. 2. in K. 297:
Nüstern pl. „Wachsperlen“ (ursprünglich wohl — Perlen des Rosen-
kranzes). In der Dillgegend heissen alle Perlen „Nistern“. Hottenroth,
die nassauischen Volkstrachten, S. 101; Crecelius II, 649; Vilmar 288.
Anderswo hat Pater die Bedeutung „Perle“ angenommen. Autenrieth 108.
— K. 305: peccare > pexieren (rhein.) „etwas Böses tun“. — perturbare >>
K. 304: pertewieren (Weilburg) „quälen, keine Ruhe lassen“. — mlat. poeni-
tentia > K. 304: Penetenz, Pcnitenz f. (rhein.) „peinliche Verlegenheit“.—
positura „Stellung“ 1. > K. 310: die Uhr hält die Positur, d. h. geht eine
Zeit wie die andere; 2. > K. Anhang 41: „grosse Gestalt“ (unterrhein.). —
lat. pnllns „junges Huhn“; nach Ph. Keiper, Zeitschr. f. d. Mundarten 1907,
S. 186. >• K. 306: Pilche n. „Hühnchen“. Keiper gibt weitere Belege aus
deutschen Mundarten. — mlat. praeatnbnlum )> spätmhd. preambel, priamel,
Gedichtform, die darin besteht, dass auf viele aneinandergereihte Vordersätze
ein kurzer Nachsatz gesetzt wird (Meistersinger!) > K. Anhang 17: Priam-
bel, Gepriambel ntr. (rhein.) „langweiliges und unnötiges Geschwätz“. —
K. 316: quaestio )> Quästionen pl. „bedenkliche Lage“. — lat. scabellum
(oder ital. scabello?) > K. 338: Schabellchen n. (rhein.) „Schemelstühlchen“.
Crecelius II, 713; Vilmar 339, 343; Autenrieth 121. — Nach John Ries (Paul
u. Braunes Beiträge XX, 574) hat äl Schawell (Ems) „alte Jungfer“ mit
obigem Worte nichts zu tun, sondern ist entlehnt aus zigeunerisch tschawalle.
Ebenso möchte Ries Schawelenter (K. 342; Anhang 45) „Liebhaber
eines Mädchens“ (Caub) zu diesem Ausdruck in Beziehung setzen. — mlat.
sperantia > Schberänse (pl.) Ems „Umschweife“. Weigand II, 911.
— strangulare „würgen, quälen“ )> K. 395: strangulieren (rhein.) „er-
würgen“; K. 396: strengelieren (rhein.) „abmühen, quälen“. Crecelius II,
817. — gr.-lat. theca > K. 404: Thek f. „Ladentisch“, vgl. S. 89. —
tormentum „Zwang, Marter, Qual“ > K. 406: Tormente pl. „Schaden,
Quälerei“. — tribulare „drücken, pressen“ > K. 409: tribelieren „beun-
ruhigen, quälen“. Kluge 464; Crecelius I, 296; Autenrieth S. 36, 142. —
vagari > K. 420. Vagiern (rhein., unterrhein.; Ems: herumfachieren),
„mit den Händen in der Luft hin und her fahren, besonders bei lebhaftem
Sprechen“. D. Wb. XII, 6. — virgas „Ruthen“ nach Kehrein 434 in Virgass,
Virjass (rhein.), Verjass (Weilburg) pl. „Schläge“ (?); Kehrein (Anhang 55.)
vergleicht: lat. turbas > Turbass m. (unterrhein.) „Unruhe, Lärm“ (?). — K. An-
hang 57: mlat. visura in: „in die Visur (d. h. zu Gesicht) bekommen“ (unterrhein,).
B. Die französischen Elemente.
I. Entlehnungen der mhd. Periode.
§ 9, In grösserem Umfang wurden frz. Worte zuerst zur Zeit der Kreuz-
züge der deutschen Sprache zugeführt.13) Für die deutschen Mundarten kommen
13) Vgl. J. Kassewitz, Die frz. Worte im mhd., Strassburger Diss. 1890, dazu Anz. f.
d. Altertum XIX (1893) S. 44—52. — Th. Maxeiner, Beitr. zur Gesch. der frz. Worte im