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Adolf Bach
ja bis weit in die Neuzeit hinein lateinisch — die Kirchensprache ist es z. T.
noch heutigen Tages — und es bedarf keiner weiteren Erklärung, wenn aus
diesen Standessprachen manch lateinisches Wort der Schriftsprache, bezw. der
Umgangssprache der gebildeten Kreise und aus dieser den Mundarten zufloss.
— Die Zeit, in der die folgenden Worte aufgenommen wurden, ist nicht näher
anzugeben. Doch fällt ihre Entlehnung kaum vor die früh-nhd. Sprachperiode.
§ 8. lat. aestimare (od. frz. estimer?) )> K. 50: ästemieren (rhein.,
Ems) „achten“, vgl. S. 121. Jäschke, S. 31. — agere „anklagen“ > K. 38:
agern (rhein.) „verleumden“. — bestia (oder afrz. beste?) )> K. 66:
Beest, Biest n. „bösartiges Tier“, Schimpfwort. Aus dem ndd. ent-
lehnt? Kluge, S. 50; Jäschke, S. 35. — lat. carmina „Gedichte“ nach
K. 217 in „Karmina, Kormena machen“ = „nachsinnen, nachgrübeln“.
— gr.-lat. Cholera in K. 239: kollern, „lärmen, zanken, ungestüm sein und
tun.“ Weigand I, 1096.— K. 215: „kanunisch (Weilburg) d. i. kanonisch,
den canones (kirchlichen Gesetzen) entsprechend, dann gesund. Us Gritt ess
net regt kanunisch.“ — commercium > K. Anhang 32: Kummersch m. „un-
erlaubtes Beisammensein“; cf. K. Anhang 30: Kommerschaft. — K. 251:
curiosus > korjuSCh (Montabaur, rhein.) 1. sonderbar, 2. schnell aufgebracht.
— lat. defendere (frz. defendre ?) > K. 421 : verdeffendieren (rhein.), ver-
diffendieren (Wallmerod) „verteidigen“; cf. S. 119, 120. — desperatus )>
K. im Anhang S. 10: desperat „hoffnungslos, verzweifelt“. Davon abgeleitet:
Desperatigkeit. — extra bedeutet 1. ausserdem, besonders, ausserordent-
lich; 2. erst recht, zum Trotz. Es wird auch als Adj. gebraucht (K. An-
hang 12): ein extra(r)er Anzug. — fiducia )> Fi duz „Vertrauen“: „dazu
hab ich kein Fiduz“ (fern, oder ntr. ?) „Landbote“ 1909 Nr. 28, Sp. 4. —
furia )> K. 147: Furi f. (rhein.) Zorn. — Historier (O historio = Neben-
form vonhistrio; vgl. J. Meier im Schweiz. Archiv für Volkskunde XI, 278 ff.;
XIV. 246.) > K. 390 u. Anhang 52: Sterjer „Ausrufer der Marionetten-
spiele; langer, frecher Mensch“ (Königstein). (Vgl. Kluge, Deutsche
Studentensprache S. 128, Weigand II, 980 unter Storger; Vilmar 402; Crece-
lius II, 813 usw.). — Dazu K. 394: störjen, sturrjen „mit andern zusammen-
stehen und schwätzen, besonders heimlich“; vgl. J. Meier, a. a. 0. XI, 278
bis 279. — ingenium > K. 208: Inschenie n. „Gemütsart, Naturanlage
überhaupt“; vgl. S. 119 Anm. — lat. item )> K. 209: Item n. „Grundstück“.
„Item bezeichnet in der älteren Geschäftssprache den Anfang eines neuen
Satzes; so pflegte in manchem Urbarbuch (Stockbuch) jedes Urbarstück
(Grundstück) mit vorhergehendem item aufgeführt zu werden. Daher findet
man oft ein solches einzelnes Urbarstück selbst ein Item genannt.“ (Schmeller.)
Vgl. Roos, Die Fremdwörter in den elsäss. Mundarten, Strassburger Diss. 1903,
S. 99. — lat. laborare „arbeiten, leiden, geplagt werden, sich in Not befinden“ )>
K. 259: lawerieren „in Verlegenheit sein“; vgl. Lawerente pl. „Verlegen-
heiten, Hindernisse“. K. 427: verlawerieren (rhein., main.) „Geld vertun“
(also erweiterte Bedeutung). — lat. lectio > K. 263: Letz f. „Aufgabe der
Schulkinder“. Crecelius II, 558; Autenrieth 87. (Aus der Schülersprache.) —
materia > K. 274: Materi f. „Eiter“, vgl. S. 120; Crecelius II, 580; Auten-
Adolf Bach
ja bis weit in die Neuzeit hinein lateinisch — die Kirchensprache ist es z. T.
noch heutigen Tages — und es bedarf keiner weiteren Erklärung, wenn aus
diesen Standessprachen manch lateinisches Wort der Schriftsprache, bezw. der
Umgangssprache der gebildeten Kreise und aus dieser den Mundarten zufloss.
— Die Zeit, in der die folgenden Worte aufgenommen wurden, ist nicht näher
anzugeben. Doch fällt ihre Entlehnung kaum vor die früh-nhd. Sprachperiode.
§ 8. lat. aestimare (od. frz. estimer?) )> K. 50: ästemieren (rhein.,
Ems) „achten“, vgl. S. 121. Jäschke, S. 31. — agere „anklagen“ > K. 38:
agern (rhein.) „verleumden“. — bestia (oder afrz. beste?) )> K. 66:
Beest, Biest n. „bösartiges Tier“, Schimpfwort. Aus dem ndd. ent-
lehnt? Kluge, S. 50; Jäschke, S. 35. — lat. carmina „Gedichte“ nach
K. 217 in „Karmina, Kormena machen“ = „nachsinnen, nachgrübeln“.
— gr.-lat. Cholera in K. 239: kollern, „lärmen, zanken, ungestüm sein und
tun.“ Weigand I, 1096.— K. 215: „kanunisch (Weilburg) d. i. kanonisch,
den canones (kirchlichen Gesetzen) entsprechend, dann gesund. Us Gritt ess
net regt kanunisch.“ — commercium > K. Anhang 32: Kummersch m. „un-
erlaubtes Beisammensein“; cf. K. Anhang 30: Kommerschaft. — K. 251:
curiosus > korjuSCh (Montabaur, rhein.) 1. sonderbar, 2. schnell aufgebracht.
— lat. defendere (frz. defendre ?) > K. 421 : verdeffendieren (rhein.), ver-
diffendieren (Wallmerod) „verteidigen“; cf. S. 119, 120. — desperatus )>
K. im Anhang S. 10: desperat „hoffnungslos, verzweifelt“. Davon abgeleitet:
Desperatigkeit. — extra bedeutet 1. ausserdem, besonders, ausserordent-
lich; 2. erst recht, zum Trotz. Es wird auch als Adj. gebraucht (K. An-
hang 12): ein extra(r)er Anzug. — fiducia )> Fi duz „Vertrauen“: „dazu
hab ich kein Fiduz“ (fern, oder ntr. ?) „Landbote“ 1909 Nr. 28, Sp. 4. —
furia )> K. 147: Furi f. (rhein.) Zorn. — Historier (O historio = Neben-
form vonhistrio; vgl. J. Meier im Schweiz. Archiv für Volkskunde XI, 278 ff.;
XIV. 246.) > K. 390 u. Anhang 52: Sterjer „Ausrufer der Marionetten-
spiele; langer, frecher Mensch“ (Königstein). (Vgl. Kluge, Deutsche
Studentensprache S. 128, Weigand II, 980 unter Storger; Vilmar 402; Crece-
lius II, 813 usw.). — Dazu K. 394: störjen, sturrjen „mit andern zusammen-
stehen und schwätzen, besonders heimlich“; vgl. J. Meier, a. a. 0. XI, 278
bis 279. — ingenium > K. 208: Inschenie n. „Gemütsart, Naturanlage
überhaupt“; vgl. S. 119 Anm. — lat. item )> K. 209: Item n. „Grundstück“.
„Item bezeichnet in der älteren Geschäftssprache den Anfang eines neuen
Satzes; so pflegte in manchem Urbarbuch (Stockbuch) jedes Urbarstück
(Grundstück) mit vorhergehendem item aufgeführt zu werden. Daher findet
man oft ein solches einzelnes Urbarstück selbst ein Item genannt.“ (Schmeller.)
Vgl. Roos, Die Fremdwörter in den elsäss. Mundarten, Strassburger Diss. 1903,
S. 99. — lat. laborare „arbeiten, leiden, geplagt werden, sich in Not befinden“ )>
K. 259: lawerieren „in Verlegenheit sein“; vgl. Lawerente pl. „Verlegen-
heiten, Hindernisse“. K. 427: verlawerieren (rhein., main.) „Geld vertun“
(also erweiterte Bedeutung). — lat. lectio > K. 263: Letz f. „Aufgabe der
Schulkinder“. Crecelius II, 558; Autenrieth 87. (Aus der Schülersprache.) —
materia > K. 274: Materi f. „Eiter“, vgl. S. 120; Crecelius II, 580; Auten-