D er Meister des Hans b n c h e s
Wahrscheinlich kam damals ein Waldstromer in den Besitz des Hauses, in welchem die Scheiben von jeher
saßen, und ließ das alte Wappen durch sein eigenes ersetzen. Entsprechend erhielt eine andere Scheibe mit
den Darstellungen des Fisch- und Krebsfanges um 1600 das Wappen der Baumgartner eingesetzt, ebenfalls
eines Nürnberger Geschlechtes.
Am Anfang der Nürnberger Tätigkeit steht die Visierung zu einer Scheibe im Berliner Kunst-
gewerbemuseum1''1. Das Blatt ist am rechten Rande beschädigt, kann aber mit Hilfe der ausgeführten
Scheibe ergänzt werden. Oben erscheint eine Landschaft, links ein Pärchen zu Pferde, rechts ein Narr mit
einem Mädchen tändelnd und unten ein Jüngling am Brunnen, dem sein Liebchen Blumen ins Haar flicht.
An das Dresdner Blatt erinnern die wie Kohlköpfe aneinander gereihten Büsche und die knittrigen Hände
unten, an den Laviniaschnitt die Bäume im rechten Felde (vgl. ausgeführte Scheibe sowie Abb. 19). Die
Schlange auf dem Boccacciostich und der Reiter im linken Felde haben die gleiche Winkelung des mit ab-
gespreizten Fingern erhobenen Armes, während der Kopf Boccaccios beim Narren ins Profane übersetzt wird.
Mit dieser umfangreichen Zeichnung (22x24 cm) bekommt die Kunst des Hausbuchmeisters wieder eine neue
Wendung. War die Landschaft bisher ein Fernbild in Umrissen oder ein Flächenmuster, so drängt sie jetzt
in den Vordergrund und wirkt durch Bodenschwellungen. In drei Feldern verbindet sich das bereicherte Land-
schaftsbild mit der Staffage zu wohltuender Einheit, während es oben sogar selbständig wird. Von einer An-
höhe sieht man einen Reiter dahinziehen. Er befindet sich auf dem Grunde eines Tales, dessen Wände durch
feste Körper gebildet werden, indem Bergmassiv, Burg, Fels und Hügel sich zum Kranze schließen. Dieselbe
Kräftigung erfährt die Vorstellung vom Pferde. Es wird nicht mehr an der Oberfläche abgetastet, wie auf der
Erlanger Zeichnung, sondern von innen heraus als Organismus erfühlt, so daß die starre Formel ungezwungener
Natürlichkeit weicht. In den Figuren macht sich eine feine Sprödigkeit geltend, da die Falten stofflicher und
fast hölzern geworden sind. Die stimmungsreiche Duftigkeit der Dresdener Visierungen verschwindet und
macht einer herben Nüchternheit Platz. Zugleich verlieren auch die Menschen ihre verfeinerte und über-
steigerte Empfindsamkeit und nehmen eine alltäglich unbekümmerte Haltung an. Selbst jetzt macht der Haus-
buchmeister keinerlei Anleihen stilistischer Art bei den Niederländern, so daß die Bedeutung seiner Reise allen-
falls in einer Beschleunigung seiner Eigenentwicklung gesehen werden kann, die ja schon im ,,Spiegel des
menschlichen Lebens" zu größerer Festigung strebte. Nur vereinzelt werden niederländische Motive über-
nommen, so auf der Turnierscheibe des Berliner Kunstgewerbemuseums eine Gruppe von Trompetenbläsern
zu Pferde aus den „Chroniques et Conguestes de Charlemagne" (1460, jetzt Königl. Bibliothek Brüssel)20.
Von einer späteren Vierpaßvisierung ist nur das linke Feld mit der Prinzessin Kleodelinde erhalten
(Dresdener K u p f e r s t i c h k a b i n e t t, 11,8 X 9 cm)21. Zur vorigen Zeichnung weisen die knittrigen
Hände, die Nadelfelsen und die Felsköpfe im Hintergründe, vor allem auch der apfelrunde Kopf des Mädchens
mit seiner ausdruckslosen Flachheit, der kurzen Stumpfnase und dem kleinen Kinn. Fortschrittlich ist die Er-
weichung des Faltenwerkes, das jetzt lederartig wirkt, und das Zusammenfließen der Strichlagen auf der Boden-
fläche, wodurch eine zähe Schmiegsamkeit angedeutet wird, besonders aber der einheitliche Tiefenzug durch
mehrfach hintereinander gesetzte Bodenschwellungen. Inzwischen hatte sich der Hausbuchmeister mit der
10 Felix Becker, Ein neuer Scheibenriß des Hausbuchmeisters (Ztschr. f. bildende Kunst 1912, N. F. 23, S. 219—222).
Die Zeichnung befindet sich jetzt in englischem Privatbesitz.
20 Schmitz, Textband. Abb. 177.
21 Max Lehrs, Bilder und Zeichnungen des Hausbuchmeisters (Jahrb. d. preuß. Kunstsammlg. 1899, Bd. 20, S. 173-182).
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Wahrscheinlich kam damals ein Waldstromer in den Besitz des Hauses, in welchem die Scheiben von jeher
saßen, und ließ das alte Wappen durch sein eigenes ersetzen. Entsprechend erhielt eine andere Scheibe mit
den Darstellungen des Fisch- und Krebsfanges um 1600 das Wappen der Baumgartner eingesetzt, ebenfalls
eines Nürnberger Geschlechtes.
Am Anfang der Nürnberger Tätigkeit steht die Visierung zu einer Scheibe im Berliner Kunst-
gewerbemuseum1''1. Das Blatt ist am rechten Rande beschädigt, kann aber mit Hilfe der ausgeführten
Scheibe ergänzt werden. Oben erscheint eine Landschaft, links ein Pärchen zu Pferde, rechts ein Narr mit
einem Mädchen tändelnd und unten ein Jüngling am Brunnen, dem sein Liebchen Blumen ins Haar flicht.
An das Dresdner Blatt erinnern die wie Kohlköpfe aneinander gereihten Büsche und die knittrigen Hände
unten, an den Laviniaschnitt die Bäume im rechten Felde (vgl. ausgeführte Scheibe sowie Abb. 19). Die
Schlange auf dem Boccacciostich und der Reiter im linken Felde haben die gleiche Winkelung des mit ab-
gespreizten Fingern erhobenen Armes, während der Kopf Boccaccios beim Narren ins Profane übersetzt wird.
Mit dieser umfangreichen Zeichnung (22x24 cm) bekommt die Kunst des Hausbuchmeisters wieder eine neue
Wendung. War die Landschaft bisher ein Fernbild in Umrissen oder ein Flächenmuster, so drängt sie jetzt
in den Vordergrund und wirkt durch Bodenschwellungen. In drei Feldern verbindet sich das bereicherte Land-
schaftsbild mit der Staffage zu wohltuender Einheit, während es oben sogar selbständig wird. Von einer An-
höhe sieht man einen Reiter dahinziehen. Er befindet sich auf dem Grunde eines Tales, dessen Wände durch
feste Körper gebildet werden, indem Bergmassiv, Burg, Fels und Hügel sich zum Kranze schließen. Dieselbe
Kräftigung erfährt die Vorstellung vom Pferde. Es wird nicht mehr an der Oberfläche abgetastet, wie auf der
Erlanger Zeichnung, sondern von innen heraus als Organismus erfühlt, so daß die starre Formel ungezwungener
Natürlichkeit weicht. In den Figuren macht sich eine feine Sprödigkeit geltend, da die Falten stofflicher und
fast hölzern geworden sind. Die stimmungsreiche Duftigkeit der Dresdener Visierungen verschwindet und
macht einer herben Nüchternheit Platz. Zugleich verlieren auch die Menschen ihre verfeinerte und über-
steigerte Empfindsamkeit und nehmen eine alltäglich unbekümmerte Haltung an. Selbst jetzt macht der Haus-
buchmeister keinerlei Anleihen stilistischer Art bei den Niederländern, so daß die Bedeutung seiner Reise allen-
falls in einer Beschleunigung seiner Eigenentwicklung gesehen werden kann, die ja schon im ,,Spiegel des
menschlichen Lebens" zu größerer Festigung strebte. Nur vereinzelt werden niederländische Motive über-
nommen, so auf der Turnierscheibe des Berliner Kunstgewerbemuseums eine Gruppe von Trompetenbläsern
zu Pferde aus den „Chroniques et Conguestes de Charlemagne" (1460, jetzt Königl. Bibliothek Brüssel)20.
Von einer späteren Vierpaßvisierung ist nur das linke Feld mit der Prinzessin Kleodelinde erhalten
(Dresdener K u p f e r s t i c h k a b i n e t t, 11,8 X 9 cm)21. Zur vorigen Zeichnung weisen die knittrigen
Hände, die Nadelfelsen und die Felsköpfe im Hintergründe, vor allem auch der apfelrunde Kopf des Mädchens
mit seiner ausdruckslosen Flachheit, der kurzen Stumpfnase und dem kleinen Kinn. Fortschrittlich ist die Er-
weichung des Faltenwerkes, das jetzt lederartig wirkt, und das Zusammenfließen der Strichlagen auf der Boden-
fläche, wodurch eine zähe Schmiegsamkeit angedeutet wird, besonders aber der einheitliche Tiefenzug durch
mehrfach hintereinander gesetzte Bodenschwellungen. Inzwischen hatte sich der Hausbuchmeister mit der
10 Felix Becker, Ein neuer Scheibenriß des Hausbuchmeisters (Ztschr. f. bildende Kunst 1912, N. F. 23, S. 219—222).
Die Zeichnung befindet sich jetzt in englischem Privatbesitz.
20 Schmitz, Textband. Abb. 177.
21 Max Lehrs, Bilder und Zeichnungen des Hausbuchmeisters (Jahrb. d. preuß. Kunstsammlg. 1899, Bd. 20, S. 173-182).
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