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HELMUT GABEL
norddeutschen Territorien im Hinblick auf die Ereignisse von 1525 auch unbestreitbar, so
konnte doch nachgewiesen werden, daß die totale militärische Niederlage der Aufständischen
hier ebensowenig wie in den Kerngebieten des Bauernkrieges das Ende bäuerlichen Wider-
stands schlechthin bedeutete. Die Namen von Peter Blickle, Volker Press, Winfried Schulze
und - sofern sich das Augenmerk auf den altbayerischen, hessischen und norddeutschen Raum
richtet - von Renate Blickle, Werner Troßbach und Carl-Hans Hauptmeyer mögen hier
stellvertretend für eine Fülle jüngerer, die politische Artikulationsfähigkeit der bäuerlichen
Gesellschaft in ein neues Licht rückender Untersuchungen stehen3. Der rhein-maasländische
Raum blieb allerdings von dieser seit etwa 15 Jahren zu verzeichnenden Forschungsentwick-
lung weitgehend unberührt, so daß hier immer noch von einem beträchtlichen Nachholbedarf
hinsichtlich der archivischen Ermittlung und historischen Analyse ländlicher Sozialkonflikte
auszugehen ist.
Zweifellos ist es nicht die zuweilen unterstellte Tendenz zur Harmonisierung, die zu
diesem Forschungsdefizit geführt hat: Der in der Geschichtswissenschaft schon seit mehr als
zwei Jahrzehnten zu beobachtende hohe Stellenwert, den der Begriff des »sozialen Konflikts«
im heuristischen Instrumentarium genießt4, hat auch in der Forschung zur Geschichte des
nördlichen Rheinlands, einhergehend mit der Hinwendung zur Untersuchung vornehmlich
städtischer Oppositions- und Emanzipationsbewegungen, deutliche Spuren hinterlassen5.
Dieses Forschungsinteresse kontrastiert freilich mit einer eklatanten Vernachlässigung gerade
jener auch zwischen Maas und Niederrhein oft vorzufindenden Erscheinungsform frühneu-
zeitlicher Staatlichkeit, der aufgrund eines deutlichen Mißverhältnisses zwischen wirtschaftli-
cher Leistungsfähigkeit und herrschaftlichen Anforderungen sowie einer noch weitgehend
3 P. Blickle, Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800, München 1988; V. Press,
Französische Volkserhebungen und deutsche Agrarkonflikte zwischen dem 16. und dem 18. Jahr-
hundert, in: BeitrrHistSozialkde 7 (1977) S. 76-81; W. Schulze, Bäuerlicher Widerstand und
feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1980; R. Blickle, Die Tradition des Widerstan-
des im Ammergau. Anmerkungen zum Verhältnis von Konflikt- und Revolutionsbereitschaft, in:
ZAgrargAgrarsoziol 35 (1987) S. 138-159; W. Trossbach, Bauernbewegungen im Wetterau-
Vogelsberg-Gebiet 1648-1806, Darmstadt und Marburg 1985; W. Trossbach, Soziale Bewegung
und politische Erfahrung. Bäuerlicher Protest in hessischen Territorien 1648-1806, Weingarten
1987; C.-H. Hauptmeyer, Bäuerlicher Widerstand in der Grafschaft Schaumburg-Lippe, im
Fürstentum Calenberg und im Hochstift Hildesheim, in: W. Schulze (Hg.), Aufstände, Revolten,
Prozesse, Stuttgart 1983, S. 217-232.
4 Als Beispiele für einen reflektierten Gebrauch des Begriffs »sozialer Konflikt« vgl. W. Schulze,
Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte im 16. und 17. Jahrhundert, in: H.-U. Wehler (Hg.),
Der Deutsche Bauernkrieg 1524-1526, Göttingen 1975, S. 277-302, sowie W. Schmale, Bäuerlicher
Widerstand, Gerichte und Rechtsentwicklung in Frankreich, Frankfurt a. M. 1986, S. 17 ff.
5 K.Julku, Die revolutionäre Bewegung im Rheinland am Ende des 18. Jahrhünderts, 1, Helsin-
ki 1965; K. Teppe, Zur Charakterisierung der lokalen Unruhen in Aachen 1786-1792, in:
ZAachenGV 82 (1972) S. 35-68; T. Diederich, Revolutionen in Köln 1074-1918, Köln 1973;
H. Schilling, Bürgerkämpfe in Aachen zu Beginn des 17. Jahrhunderts, in: ZHistForsch 1 (1974)
S. 175-231; K. Müller, Studien zum Übergang vom Ancien Regime zur Revolution im Rheinland.
Bürgerkämpfe und Patriotismus in Aachen und Köln, in: RheinVjbll46 (1982) S. 102-160;
W. Schmitz, Verfassung und Bekenntnis. Die »Aachener Wirren« im Spiegel der kaiserlichen
Politik (1550-1616), Frankfurt a. M. u.a. 1983; H. Carl, Die Aachener Mäkelei 1786-1792.
Konfliktregelungsmechanismen im alten Reich, in: ZAachenGV92 (1985) S. 103-187.
HELMUT GABEL
norddeutschen Territorien im Hinblick auf die Ereignisse von 1525 auch unbestreitbar, so
konnte doch nachgewiesen werden, daß die totale militärische Niederlage der Aufständischen
hier ebensowenig wie in den Kerngebieten des Bauernkrieges das Ende bäuerlichen Wider-
stands schlechthin bedeutete. Die Namen von Peter Blickle, Volker Press, Winfried Schulze
und - sofern sich das Augenmerk auf den altbayerischen, hessischen und norddeutschen Raum
richtet - von Renate Blickle, Werner Troßbach und Carl-Hans Hauptmeyer mögen hier
stellvertretend für eine Fülle jüngerer, die politische Artikulationsfähigkeit der bäuerlichen
Gesellschaft in ein neues Licht rückender Untersuchungen stehen3. Der rhein-maasländische
Raum blieb allerdings von dieser seit etwa 15 Jahren zu verzeichnenden Forschungsentwick-
lung weitgehend unberührt, so daß hier immer noch von einem beträchtlichen Nachholbedarf
hinsichtlich der archivischen Ermittlung und historischen Analyse ländlicher Sozialkonflikte
auszugehen ist.
Zweifellos ist es nicht die zuweilen unterstellte Tendenz zur Harmonisierung, die zu
diesem Forschungsdefizit geführt hat: Der in der Geschichtswissenschaft schon seit mehr als
zwei Jahrzehnten zu beobachtende hohe Stellenwert, den der Begriff des »sozialen Konflikts«
im heuristischen Instrumentarium genießt4, hat auch in der Forschung zur Geschichte des
nördlichen Rheinlands, einhergehend mit der Hinwendung zur Untersuchung vornehmlich
städtischer Oppositions- und Emanzipationsbewegungen, deutliche Spuren hinterlassen5.
Dieses Forschungsinteresse kontrastiert freilich mit einer eklatanten Vernachlässigung gerade
jener auch zwischen Maas und Niederrhein oft vorzufindenden Erscheinungsform frühneu-
zeitlicher Staatlichkeit, der aufgrund eines deutlichen Mißverhältnisses zwischen wirtschaftli-
cher Leistungsfähigkeit und herrschaftlichen Anforderungen sowie einer noch weitgehend
3 P. Blickle, Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800, München 1988; V. Press,
Französische Volkserhebungen und deutsche Agrarkonflikte zwischen dem 16. und dem 18. Jahr-
hundert, in: BeitrrHistSozialkde 7 (1977) S. 76-81; W. Schulze, Bäuerlicher Widerstand und
feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1980; R. Blickle, Die Tradition des Widerstan-
des im Ammergau. Anmerkungen zum Verhältnis von Konflikt- und Revolutionsbereitschaft, in:
ZAgrargAgrarsoziol 35 (1987) S. 138-159; W. Trossbach, Bauernbewegungen im Wetterau-
Vogelsberg-Gebiet 1648-1806, Darmstadt und Marburg 1985; W. Trossbach, Soziale Bewegung
und politische Erfahrung. Bäuerlicher Protest in hessischen Territorien 1648-1806, Weingarten
1987; C.-H. Hauptmeyer, Bäuerlicher Widerstand in der Grafschaft Schaumburg-Lippe, im
Fürstentum Calenberg und im Hochstift Hildesheim, in: W. Schulze (Hg.), Aufstände, Revolten,
Prozesse, Stuttgart 1983, S. 217-232.
4 Als Beispiele für einen reflektierten Gebrauch des Begriffs »sozialer Konflikt« vgl. W. Schulze,
Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte im 16. und 17. Jahrhundert, in: H.-U. Wehler (Hg.),
Der Deutsche Bauernkrieg 1524-1526, Göttingen 1975, S. 277-302, sowie W. Schmale, Bäuerlicher
Widerstand, Gerichte und Rechtsentwicklung in Frankreich, Frankfurt a. M. 1986, S. 17 ff.
5 K.Julku, Die revolutionäre Bewegung im Rheinland am Ende des 18. Jahrhünderts, 1, Helsin-
ki 1965; K. Teppe, Zur Charakterisierung der lokalen Unruhen in Aachen 1786-1792, in:
ZAachenGV 82 (1972) S. 35-68; T. Diederich, Revolutionen in Köln 1074-1918, Köln 1973;
H. Schilling, Bürgerkämpfe in Aachen zu Beginn des 17. Jahrhunderts, in: ZHistForsch 1 (1974)
S. 175-231; K. Müller, Studien zum Übergang vom Ancien Regime zur Revolution im Rheinland.
Bürgerkämpfe und Patriotismus in Aachen und Köln, in: RheinVjbll46 (1982) S. 102-160;
W. Schmitz, Verfassung und Bekenntnis. Die »Aachener Wirren« im Spiegel der kaiserlichen
Politik (1550-1616), Frankfurt a. M. u.a. 1983; H. Carl, Die Aachener Mäkelei 1786-1792.
Konfliktregelungsmechanismen im alten Reich, in: ZAachenGV92 (1985) S. 103-187.