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Rödel, Volker [Editor]
Die Französische Revolution und die Oberrheinlande: (1789 - 1798) — Oberrheinische Studien, Band 9: Sigmaringen: Thorbecke, 1991

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Kell, Eva: Die Bilanz der Munizipalisierung im Fürstentum Leiningen 1792/93
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https://doi.org/10.11588/diglit.52727#0114

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EVA KELL

des 18.Jahrhunderts verschärfenden Ressourcenkonflikt trat in politischer Dimension ein
Herrschaftskonflikt61.
Da die Leininger Landesadministration in der Waldfrage die Position der alten Herrschaft
übernahm und reglementierend-repressiv eingriff, spitzte sich die Auseinandersetzung um den
Wald unter der französischen Herrschaft erneut zu. Landesadministrator Zimmermann sah
sich zum Einschreiten gezwungen und brandmarkte das eigenständige Holzschlagen der
Ungsteiner als übel verstandenen Begriff (en) von Freiheit und Gleichheit. Er beauftragte die
Munizipalität, ihren Gemeindegliedern dieses hochsträfliche Vergehen nachdrücksamst zu
verweisen, und drohte mit harten Strafen62.
Die verbreiteten Holz- und Wildfrevel konnten im Verlauf der Revolutionskriege von der
jeweiligen Obrigkeit nicht eingedämmt werden, jedoch waren die verwilderten Gesinnungen
der In- und Ausländer^3 nicht unbedingt ein Zeichen für die Resonanz revolutionärer
Gesinnung. Die bäuerliche Bevölkerung nutzte einerseits durch den politischen Umbruch und
die Destabilität der Herrschaftsstrukturen entstandene Freiräume aus und versuchte anderer-
seits, den infolge des Krieges entstandenen Schaden und Nahrungsausfall auf irgendeine Weise
zu kompensieren.
Die Gemeinde Kallstadt, von Zimmermann ebenfalls wegen ihrer Waldfrevel gerügt64,
blieb noch tief im Ancien Regime verwurzelt. Es gab zwar eine Anzahl von Patrioten, jedoch
erteilten fast die gesamte Dorfelite, Pfarrer, Schultheiß, Orgelmacher, Schulmeister sowie
sämtliche Juden der Revolutionierung eine Absage und wehrten sich aktiv gegen die Munizi-
palisierung65. Schultheiß Schuster und Pfarrer Franck traten öffentlich als Revolutionsgegner
hervor66. Schuster lehnte das Amt des Maire ab und weigerte sich zusammen mit dem Pfarrer,
offiziell das Bekenntnis zur fränkischen Konstitution zu verlesen. Der französische Commis-
saire Rompel blieb während der Munizipalisierung auf sich allein gestellt. Nur mühsam wurde
ein Maire gefunden. Schuster hob die Unrechtmäßigkeit der Munizipalwahlen als großes
Unglück für Kinder und Kindeskinder hervor67. Die Freiheiten der alten Ordnung setzte
Schuster bewußt vom französischen Absolutismus ab.

61 Vgl. Schunk (wie Anm. 11) S. 46, 52; vgl. Schulze, Herrschaft und Widerstand (wie Anm. 7)
S. 195-198; W. Schulze, Die ständische Gesellschaft des 16./17.Jahrhunderts als Problem von
Statik und Dynamik, in: Ders., Ständische Gesellschaft (wie Anm.24) S. 15f., der die ständische
Gesellschaft als »Gesellschaft beschränkter Ressourcen« charakterisiert und das Potential sozialer
Mobilität dazu in Bezug setzt.
62 Vgl. FLA Amorbach A5/35/28: Landesadministrator Zimmermann an die Gemeinden Ung-
stein und Kallstadt, 22.2. 1793.
63 FLA Amorbach CN22777: PM des Oberförsters Eberstein, Ungstein, 1.3.1796.
64 Wie Anm. 62.
65 Vgl. FLA Amorbach A 5/35/28: Schulmeister Johann Leonhard Möser an die fürstliche
Regierung, 7.5.1793; Votum gegen Niklas Hauck zu Kallstadt, 1793; FLA Amorbach A5/35/38:
Bericht des Schultheißen Schuster, 26. 4.1794, 28 Kallstadter wurden ausdrücklich als Gutgesinnte
bezeichnet, das entsprach bei einer Bevölkerung von 123 Familien etwa einem Viertel der Einwoh-
ner; zur Bevölkerungszahl vgl. FLA Amorbach A 5/35/18 (wie Anm. 16).
66 Vgl. zum Folgenden: FLA Amorbach A5/35/28: Untersuchung der Revolutionierung in
Kallstadt, 1793; zur Person Francks vgl. Biundo (wie Anm. 23) Nr. 1400.
67 FLA Amorbach A5/35/28: Schulmeister Johann Leonhard Möser, 7.5. 1793.
 
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