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Rödel, Volker [Hrsg.]
Die Französische Revolution und die Oberrheinlande: (1789 - 1798) — Oberrheinische Studien, Band 9: Sigmaringen: Thorbecke, 1991

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Battenberg, J. Friedrich: Die Französische Revolution und die Emanzipation der Juden im Elsaß und in Lothringen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52727#0277

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DIE FRANZÖSISCHE REVOLUTION UND DIE EMANZIPATION DER JUDEN

271

berichtet136: Un eure benit des drapeaux portes par des Lutheriens. II les depose sur l’autel de
la Patrie et apres la messe, il remet ces drapeaux, en invitant Catholiques, Lutheriens,
Calvinistes et Juifs d se reunir sous ces enseignes de la liberte, pour la defense commune de la
Patrie et des droits de l’homme. Wenn Feuerwerker dazu feststellt, daß sich hier wie auch
anderswo der neue Geist im Verhältnis zu den Juden kundtue137, so stellt er damit gewiß ein
wichtiges Moment der Verbrüderungsfeiern heraus: Sie ermöglichten eine neue Identifika-
tion des französischen Volkes mit den Ideen der Revolution, und zwar unabhängig von den
Konfessionen und Religionen. Sie verdeckten andererseits, daß die sozialen und politischen
Probleme im Verhältnis zwischen den verschiedenen Konfessionen und Gruppen des
Königreichs längst nicht gelöst waren. Die Unterschiedlichkeiten der Tradition und die
nebeneinanderstehenden, in sich verschiedenen Identitäten der sozialen Gruppen im Lande
waren weiter vorhanden und konnten durch eine liberal-revolutionäre Emanzipationserklä-
rung nicht aufgehoben werden. Das Scheitern des französischen Modells der Emanzipation
für die elsaß-lothringischen Juden war, trotz aller zukunftsweisenden Perspektiven, damit
von Anfang an angelegt138.
VI
Es dürfte deutlich geworden sein, daß durch den Druck der Revolutionsereignisse, insbeson-
dere durch die Verabschiedung der Deklaration über die Menschenrechte, die auch in
Frankreich ursprünglich vorherrschende Konzeption der reforme civile, also der »Bürgerli-
chen Verbesserung« im Sinne von Dohm und Mirabeau, aufgegeben werden mußte. Nicht
zu Unrecht ist die Vermutung geäußert worden, daß die Angst vor der Emigration der Juden
und vor ihrer Verbindung mit ausländischen Mächten der Emanzipationsdebatte in der
zweiten Jahreshälfte 1791 zum Durchbruch verhülfen hatte139. Zu bedenken ist auch, daß
sich die Lage durch die Affaire von Varennes, die vereitelte Flucht des Königs ins Aus-
land140, verhärtet hatte. Durch die am 27. August 1791 verkündete Erklärung von Pillnitz,
durch die Kaiser Leopold II. und König Friedrich Wilhelm II. von Preußen unter bestimm-
ten Bedingungen eine militärische Intervention in Frankreich androhten, fühlte sich die
Nationalversammlung bedroht141. Sie mußte deshalb die vorhandenen nationalen Kräfte so
gut es ging zusammenfassen und durfte die Juden davon nicht mehr ausnehmen142. Das
Vorurteil über die Finanzmacht der Juden, das sich beispielsweise in der Rede des Abbe
Maury vor der Nationalversammlung niedergeschlagen hatte143, mußte sich bei Judengeg-
nern und Judenfreunden gleichermaßen dahin auswirken, daß man eben diese Finanzmacht
an sich binden oder zumindest neutralisieren wollte. Ökonomische und kriegstaktische Inter-
essen also gaben letztlich den Ausschlag für die Emanzipationserklärung. Der moralische
136 Zitiert nach Feuerwerker (wie Anm. 1) S. 388.
137 Feuerwerker (wie Anm. 1) S. 388.
138 Vgl. oben S. 248.
139 Hertzberg (wie Anm.99) S. 347.
140 Soboul (wie Anm. 17) S. 190 ff.
141 Soboul (wie Anm. 17) S. 198.
142 Kahn (wie Anm. 47) S. 110; Poliakov (wie Anm. 32) S. 14.
143 Vgl. oben S. 266.
 
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