Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Omnibus — 1932

DOI Heft:
Kolbe, Georg: Stillhalte - Betrachtung eines Bildhauers
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62261#0014
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
STILLHALTE-BETRACHTUNG EINES BILDHAUERS

VON GEORG KOLBE
„Mit Freuden ergreife ich die Feder“ zu berichten,
wie „ich kalkulierte“: Von je galt mir materieller
Erfolg als Mittel zum Weiterarbeiten, da ich von
Naturell Arbeiter und nicht Spekulant bin. Ein paar-
mal war ich naiv genug, scheinbar Übriges einer
Anleihe — sogar einer Lebensversicherung an-
zuvertrauen! Aus ist das! So „verarbeite“ ich seit
geraumer Zeit das Erworbene selbst. Die „Geschäfts-
welt“ wolle mir nicht verübeln, daß ich es aus-
schließlich in meine Bildwerke fließen ließ, statt in
verheißungsvolle A. G., in denen gewichtige Auf-
sichtsräte usw. usw. Besser Selbstaufsicht. Ich er-
laubte mir auch, ein großes Atelier, wie ich es
brauche, zu bauen — den Grund und Boden durfte
ich zufällig ausgerechnet meinem Staat abkaufen —
in Pacht wollte er es mir nicht geben. Der Ver-
käufer belegte mich für meine doch gewiß freund-
liche Haltung mit Extra-Steuern, nie geahnten Vor-
schriften und Pflichten, daß ich mich wie bestraft
fühlte. So wurde ich glücklicher, sorgenvoller
Grundbesitzer. Dank meiner Hände Arbeit!
Jedermann weiß nun, daß inzwischen Nachfrage
„in Sachen Kunst“ allmählich erstarrte und schließ-
lich ganz einfror. Daraus ergab sich Anstauung
„nicht verlangter Ware“, was aber in der Kunst
nicht so tragisch ist wie zum Beispiel in der Butter-
branche!
Werte liegen jetzt bei mir, der ich doch selbst
nichts „zurücklegte“. Keine Pension wird weiße
Künstlerlocken streicheln, und ein Nobel-Preis kann
bei Bildhauern auch nicht in Rechnung gestellt
werden. Also falsch kalkuliert?! Doch wo, wo in
Dreipiefkesnamen hätte ich auch den „Zehrpfennig“
aufbewahren sollen? Sagt mir das!
Ich muß schon der Welt die Schuld geben, dieser
Welt, die ja sonst so gern mit ihren Kunstschätzen
prahlt. Käse-Rundfahrten locken die schaulustigen
Fremden zu all den Kulturgütern. Große Verwal-
tungsapparate schirmen den „unveräußerlichen
Hort“ der Nation. Wie sehr pocht heute noch
Nürnberg auf „seinen Dürer“ — vom Dürer-Heim
bis zum Dürer-Würstchen — und verdient dabei
gut! Ich meine nun, daß es dann nicht sehr fein
ist, plötzlich das hohlköpfige Schlagwort von der
„überflüssigen Kunst“ finanzministeriell zu lancieren
— jetzt, wo die Gelder verwirtschaftet und ver-
spekuliert sind. Aber schließlich, was geht’s mich
an? Ich selbst halte mich jedenfalls nicht für über-
flüssig, sondern sogar für besonders am Platz.
Gerade jetzt. Und falsch kalkuliert habe ich auch
nicht. Denn ich mache aus nichts — viel. Die
Steuer war auch nicht schüchtern. Nach diesem
Tribut gemessen konnte ich mich wenigstens bis vor
kurzem eine beachtliche Stütze des Staates nennen.
Das ist nun auch vorbei. (Nächstes Jahr werdet ihr
es schon merken.)
Verehrte Nation, bedenke doch, wer eigentlich
soll neben einigen besseren Bedürfnissen die der
zukünftigen Rundfahrer befriedigen? Nicht zu
sprechen von Besuchen fremder Staatsoberhäupter,
die man doch auch nicht — zum Donnerwetter —
ewig ins Pergamon-Museum führen kann!!?
Doch Fremdenwerbung hin und her: Kunst-
moratorium ist Quatsch! Vielleicht entschließt sich
die andere Seite — besser zu kalkulieren.

Der Einsamc(Bronze) Photo Schwartzkopff
 
Annotationen