Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Omnibus — 1932

DOI Heft:
Benn, Gottfried: Das Unaufhörliche
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62261#0036
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Säulen, die ruhn, Delphine,
verlassene Scharen,
die Hyakynthos trugen, den Knaben,
früh verwandelt
zu Asche und Blumengeruch —:
da wohl noch mehr.“
II.
Aber alle Mächte der Menschheit, die frühen wie die im Laufe der Entwicklung ent-
standenen, die primitiven wie die zivilisatorischen, lehnen sich gegen diesen Pessimismus
auf. Die Frau fragt, soll man denn keine Kinder gebären, weil sic sterben müssen, —
die Frau glaubt, daß die Liebe immer von neuem die Schöpfung sei:
„frühe Stunde der Menschheit
unzerklüftet
ewig dem Herzen,
ewig der Liebe“,
sie glaubt an die Liebe als die große Macht jenseits von Zeit und Untergang:
„ohne Alter das Blut,
ohne Schatten der Traum“,
— die Männer lehnen sich auf: ist denn die Wissenschaft, der logische Gedanke nicht
etwas Großes, schafft denn der Mann, das Hirn der Höhe, nicht Ordnung, Gesetz,
Dauer —; liegt denn nicht in der Kunst, sagen sie, eine tiefe, stetige Harmonie —;
ist denn die Religion, sind denn die Götter nicht ewig, ewig dauernd und ewig gültig?
Ja, antwortet die Stimme des Unaufhörlichen, der Gedanke ist gewiß etwas Großes,
a^er' „im Kern der Dinge,
im Herz der weiten
gelaßnen Reihn
zerreißt der Worte
herrliche Formeln,
Zählen der Sterne,
der Blumen Namen:
Verwandlung.“
Gewiß, die Kunst ist das Wunderbarste, was die Erde besitzt, aber auch hier Ver-
gänglichkeit: ,r .. i .
„Vergänglichkeit
von hellen Himmeln —“,
und über den Göttern steht noch ein anderes, ein weitertreibendes Gesetz, eine höhere
Ordnung, die auch über ihre Reiche und Geschlechter hinwegführt:
„— wie viele Fluten
von Göttern nieder!
um alle Hügel
die tempelschönen
ruht Staub,
rinnt Asche
der großen Wesen.“

34
 
Annotationen