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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0120
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Das Melancholieproblem des Aristoteles

ment behaftet sind, die nehmen so-
fort die mannigfaltigsten Charak-
tere an und zwar nach dem jewei-
ligen Zustande der Mischung ver-
schieden. So werden diejenigen,
welche viel kalte Galle besitzen,
schlaff und stumpfsinnig', die aber
viel warme besitzen, die geraten
in Verzückung und werden leb-
lebhaft und liebevoll und leicht
geneigt zu Gemütsbewegungen
und Begierden. Einige aber wer-
den auch schwatzhafter; viele wer-
den aber auch, weil diese Wärme
sich in der Nähe vom Sitze desVer-
standes aufhält, von Krankheiten
der Verzückung oder des Enthu-
siasmus ergriffen. Daher stammen
die Sibyllen, die Bakchiden und alle
Gottbegeisterten,soweitsie esnicht
durch Krankheit werden, sondern
durch ihr natürliches T emperament.
Marakos von Syrakus dichtete so-
g-ar besser, wenn er in Ekstase war.
Diejenigen aber, bei denen die
schwarze Galle hinsichtlich ihrer
allzu großen Wärme bis etwa zum
Mittelmaß ausgeglichen ist3 *), sind
zwar ebenfalls melancholisch, aber

_ 99

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i) Der Satz ,,öcoic b’ äv eiravBfi ti'iv äxav 0ep|uÖTUTa rrpöc tö pecov“ ist in der
vorliegenden Form nicht verständlich (auch H. Bonitz bezeichnet in seinem muster-
haften Index Aristotelicus, p. 265, das Verburn erravOri als korrupt) und hat zu meh-
reren Verbesserungen Anlaß gegeben, die aber alle nicht recht befriedigen. Der Sinn
muß nach dem Folgenden und Vorausgehenden der sein, daß die schwarze Galle der
verniinftigen und daher zu großen Leistungen befähigten Melancholiker sich einerseits
von der Überhitzung (wie sie bei den paviKoi, vor allem aber bei den Bacchantinnen,
Sibyllen usw. vorliegt), andererseits aber auch von der Erkältung (wie bei den vuuGpoi Kai

püupoi) fernhält und insofern ein „juecov“ erreicht. Es sei daher mit aller Zurückhal-
tung der Vorschlag gemacht, für ,,eTrav0ri“ ein ,,örravicuj0rj“ einzusetzen — womit

der Satz nicht nur in grammatischer und bedeutungsmäßiger Beziehung richtiggestellt
wäre, sondern auch dem sonstigen Sprachgebrauch des Aristoteles entsprechen würde;
vgl. rrepi dvarrvofjc, r4, 478a 3: „erravico'i yäp eic tö jueTpiov 6 töttoc tt]v Trjc

££euic ueTaßoXüv.“ (Den Hinweis auf diese Stelle verdanken wir Herrn Professor

Plasberg-Hamburg.)

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