terisierten Einzelsträuchern. Sie botanisch einzuordnen dürfte
manchmal Schwierigkeiten haben. Darf man sie «naturalistisch»
nennen? Mit Einzelbeobachtungen, in der Natur gemacht, ist
nach künstlerischem Ermessen frei geschaltet1. Solch liebe-
volles Sich-versenken, solch Aufgehen in der Arbeit ist nicht
«Werkstatt» Art. Und doch müßte man annehmen, daß, wenn
überhaupt eine Hilfskraft herangezogen wurde, ihr die Ausführ-
ung der inhaltlich unwesentlichen, rein dekorativen Teile am
ehesten überlassen blieb.
Während bei den Männerköpfen der Versuch zu charak-
terisieren vielfach so glücklich unternommen ist, gleichen sich
die Gesichter der Frauen, auch die der Engel, untereinander
geschwisterlich. Die gleiche rund-ovale Umrißlinie, die vollen
Wangen, das feste kleine Kinn, das zierliche Mündchen unter
der meist weniger zierlichen Nase und die, besonders wenn
Schmerz ausgedrückt werden soll, gern schräg gestellten Augen
kehren regelmäßig wieder. Doch so weit geht der Mangel an
individueller Gestaltung nicht, daß man gezwungen wäre, sie
auf Rechnung eines Gehilfen zu setzen, der, da ihm eigene
Schöpferkraft fehlte, die vom Meister einmal geschaffene Grund-
form bis zur Erschlaffung wiederholte. Vielmehr finden sich
bei aller Familienähnlichkeit der feinen Unterscheidungen genug,
um jede doch noch als Einzelwesen gelten zu lassen. Selbst
die Frauengestalten in Ratzeburg sind durchaus nicht so ein-
tönig behandelt wie die Abbildung bei Goldschmidt sie er-
1 Um ein Beispiel zu nennen : Das Gesträuch, das in Schwerin die
Kreuztragung von der Hauptszene trennt, setzt unten mit einem Bäum-
chen an, das runde apfelähnliche Früchte und dreiteilige Blättchen trägt,
setzt sich in einem Busch mit herzförmigen, dann mit kleeblattartigen
Blättern fort, um mit einem zu enden, dessen lange lappige Blätter —
etwa an die im Anklamer Rahmenornament verwendeten anklingend —
sich lebhaft winden. Auf der anderen Seite wird phantastisches Rank-
werk im unteren Teil oben durch einen Weinstock abgeschlossen, der nun
wirklich naturalistisch ist mit dicken Trauben und aufs genaueste beob-
achteten Blättern.
38
manchmal Schwierigkeiten haben. Darf man sie «naturalistisch»
nennen? Mit Einzelbeobachtungen, in der Natur gemacht, ist
nach künstlerischem Ermessen frei geschaltet1. Solch liebe-
volles Sich-versenken, solch Aufgehen in der Arbeit ist nicht
«Werkstatt» Art. Und doch müßte man annehmen, daß, wenn
überhaupt eine Hilfskraft herangezogen wurde, ihr die Ausführ-
ung der inhaltlich unwesentlichen, rein dekorativen Teile am
ehesten überlassen blieb.
Während bei den Männerköpfen der Versuch zu charak-
terisieren vielfach so glücklich unternommen ist, gleichen sich
die Gesichter der Frauen, auch die der Engel, untereinander
geschwisterlich. Die gleiche rund-ovale Umrißlinie, die vollen
Wangen, das feste kleine Kinn, das zierliche Mündchen unter
der meist weniger zierlichen Nase und die, besonders wenn
Schmerz ausgedrückt werden soll, gern schräg gestellten Augen
kehren regelmäßig wieder. Doch so weit geht der Mangel an
individueller Gestaltung nicht, daß man gezwungen wäre, sie
auf Rechnung eines Gehilfen zu setzen, der, da ihm eigene
Schöpferkraft fehlte, die vom Meister einmal geschaffene Grund-
form bis zur Erschlaffung wiederholte. Vielmehr finden sich
bei aller Familienähnlichkeit der feinen Unterscheidungen genug,
um jede doch noch als Einzelwesen gelten zu lassen. Selbst
die Frauengestalten in Ratzeburg sind durchaus nicht so ein-
tönig behandelt wie die Abbildung bei Goldschmidt sie er-
1 Um ein Beispiel zu nennen : Das Gesträuch, das in Schwerin die
Kreuztragung von der Hauptszene trennt, setzt unten mit einem Bäum-
chen an, das runde apfelähnliche Früchte und dreiteilige Blättchen trägt,
setzt sich in einem Busch mit herzförmigen, dann mit kleeblattartigen
Blättern fort, um mit einem zu enden, dessen lange lappige Blätter —
etwa an die im Anklamer Rahmenornament verwendeten anklingend —
sich lebhaft winden. Auf der anderen Seite wird phantastisches Rank-
werk im unteren Teil oben durch einen Weinstock abgeschlossen, der nun
wirklich naturalistisch ist mit dicken Trauben und aufs genaueste beob-
achteten Blättern.
38