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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 2.1885

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Nr. 5 (15. Mai 1885)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29787#0034
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anzusporuen: „Steht ihr denn immer noch da? Js denn keene
Ledder*) nich zor Hand, daß er ne rnndcr holn kennt? Heerd
doch, sähd doch den Menschenschwarm?' —
.Hat ihm schon!" trinmphierte draußen mit einemmale
der Chorus uud ein lautes „Hurrah" der Schuljugend folgte-
Schnackelnieier kam nut seiner Aufforderung zu spät. Längst
hatten die Lehrbuben der Nachbarschaft ein Wettspringeu nach
dem schwarzen Ansiedler improvisiert, und sich mit dem Haschen
darnach belustigt, bis endlich einer dem andern auf die Schultern
stieg und so den unerbetenen Nachfolger des roten Blechhand-
schuhs herabschleuderte. Eine Weile noch kollerte er ans der
Straße umher, und die Jugend trieb ihr Spiel damit, bis die
Wächter der Ordnung gravitätisch herbeikamen und der Treib-
jagd ein Ende machten.
Wol wurde nun der Filz beseitigt und das Heer der Gaffer
zerstreute sich allmälig, aber die neue Handschuh-Affaire rückte
nun erst recht in den Mittelpunkt des Interesses, nicht nur im
Hause des Handschuhmachers, nicht nur in allen jenen Kreisen,
welche sich um Kaffee- und Theekanncn, oder Schoppengläser
schaaren, sondern auch — im hohen Nate der Polizei. „Wer",
fragte mau, „kann sich unterfangen, zwei mal hintereinander
so etwas anszuführen, und auch noch diesen Hut aufzuhäuaeu?
Aus offener Straße und in nächster Nähe des Polizeiamtes
selbst!"
Daß nur Studenten so ausgelassen sein konnten, schien
außer Zweifel, und doch kam kein Mensch auf den Gedanken,
daß der Thäter im Hanse selbst zu suchen sei. Allabendlich be-
merkte Holm von seinem Fenster aus, wie ausgestellte Wächter
das Hans umschlichen, und jeden Vorübergehenden scharf auss
Korn nahmen, denn man vermutete, daß der Thäter seinen
Scherz noch weiter treiben würde. Erfinderische Köpfe ver-
säumten überdies nicht, sich auch ihrerseits aus dein Vorfall einen
Zeitvertreib zu machen, uuo setzten die wunderlichsten Geschichten
in Umlauf, wodurch die Polizei nur noch mehr augespornt wurde,
sich der Sache auzunehmeu.
Uud der heimliche Missethäter selbst? O über den Aus-
bund der Verschmitztheit! Jetzt hatte er ja den vollgiltigsteu
Anlaß, den so arg mitgenommenen Hausgenossen aufs neue zu
besuchen, und neben der Tröstnng, die er ihm selbst angcdeihen
ließ, dem hübschen Töchterchen gründlich den Hof zu machen.
Daun hinderte ihn nun niemand, das Mädchen hatte ihn
gern, das zeigte sich immer deutlicher, uud Vater und Mutter
Schnackelmeier nicht minder.
Aber das geraubte Geschäftswahrzeichen konnte der Vater
der schönen Agnes doch nicht aus dem Sinn bringen. Immer
und immer kam er darauf zu sprechen. Ein Anderer hätte viel-
leicht kurzen Prozeß gemacht und den Entschwundenen durch
einen neuen ersetzen lassen; allein dagegen sträubte sich Schnackel-
meiers Aberglaube. Dieser Blechhandschuh hatte seinen Laden
geziert vom ersten Tage der Eröffnung des Geschäftes an, er
betrachtete ihn wie einen Schutzpatron, der keinen Stellvertreter
zulasse. Fritz, der uur noch eine Gelegenheit ausspähte, um
deu Unvergeßlichen wieder aus deu Throu zu heben, kouute da-
mit nicht länger Zaudern. Kain er sich doch immer wie ein
strafwürdiger Missethäter vor, so oft er mit dem Geheimnis der
begangenen Uuthat im Busen, in die lieben, unschuldsvolleu
Augen des Mädchens blickte, und es wollte ihm manchmal

*) Leiter.

scheinen, als wisse sic, daß er es gethan, nnd als bitte sie ihn
mit stummberedten Blicken das Unglück wieder gut zu machen
Aber wie sollte er das bewerkstelligen? Immer noch war das
Haus von Aufpassern umstellt, und Zu keiner Stunde war unser
Studio sicher, uubelauscht zu sein.
Da kam sein nie verlegener Kopf auf eine andere Idee,
komisch genug, um der begonnenen Posse einen stylgerechten
Abschluß zu geben.
Am nächsten Abend nämlich verfügte er sich in eine
Restauration, wo nicht allein zahlreiche Studenten verkehrten,
sondern auch eiu alter Polizeirat regelmäßig seiu Bier zu
triuken pflegte, der sich als Freund und Schulkamerad Schnackel-
meiers gauz besonders um die Entdeckung des Handschuh-Atten-
täters bemüht hatte. Holms Erscheinen konnte in dieser Restau-
ration nicht auffalleu, denn gerade hier verweilte er oft im Ge-
nüsse des edlen Gerstensaftes. Diesmal galt es nun freilich,
ein Tafchenspielcrstückchen dabei auszuführeu, das Vorsicht und
Geschick verlangte. Aber Fritz Holm schreckte vor nichts so leicht
Zurück, wenn es galt, einen lustigen Schelmenstreich auszuführen.
Und so ging er auch hier frisch au's Werk und — der kecke
Schabernack gelang.
Als sich der gestrenge Herr Polizeirat kurz nach zehn
Uhr von seinem Stammtisch erhebt, um als gutes Beispiel der
Solidiiät für seine Mitbürger, hübsch nach Hause zu gehen, uud
zu diesem Behufe seinen Ueberrock von der Wand nimmt, zieht
er plötzlich, wie von einer Schlange gebissen, seine Hand aus der
Seiteutasche, worin er fein säuberlich sein Nastüchlein zu tragen
pflegte. Auf was waren da eben seine Finger gestoßen? Er
glanbte zu träumen; aber nein, es war Thatsache, wirklich nicht
zu bestreitende Thatsache: in der Tasche des Polizeirat steckte
der verhängnisvolle, langverfolgte rote Blechhandschuh, über
dessen Verbleib eben am Tische des langen und breiten die Rede
gewesen war.
Der Gestrenge hatte keine Worte für diese Ueberraschung.
Sollte er zürnen, sollte er lachen? Die Mitglieder des Stamm-
tisches warteten aber nicht ans seine Erlaubnis, sondern brachen
in ein schallendes Gelächter ans, als sie des unvermuteten Find-
lings ansichtig wurden, und der Polizeirat fand cs für geraten
herzlich mit cinzustimmeu.
„Wer mag das gewesen seiu?" hieß es in unisono. Einer
sah fragend den andern an. Ja, wenn man ihn fassen könnte!
Die Nürnberger hängen aber bekanntlich keinen, sie hätten ihn
denn znvor. Dem Polizeirat war dieses Sprichwort noch nie
so einleuchtend erschienen, wie gerade jetzt. Nahe an hundert
Personen saßen beim Bier im großen Reftauratioussaale; der
eine kam, der andere ging, wer vermochte da den Schuldigen
herauszufindeu? Ernstliche Nachforschung hätte uur deu Spott
vermehren können.
Der so wider Willen behandschuhte Polizeirat unterließ
daher alle weiteren Schritte uud begnügte sich damit, dem Meister
Schnackelmeier andern Tags den aufgefundenen Ladenschmuck
wieder zuzustellen, jedoch mir dem freundlichen Ratschlage, das
60rpu8 äölioti nun durch festes Anschmieden vor weiteren Flucht-
versuchen zu bewahren.
Darin folgte denn auch der Gefoppte; er ließ noch in
selbiger Stunde den Schlosser holen und das rote Wahrzeichen
seines Geschäftes so fest schmieden, daß es für keinen Spaßvogel
mehr so leicht zu erreichen war.
 
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