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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 2.1885

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Nr. 9 (15. September 1885)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29787#0066
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„Aber für wen sammelt und speichert Ihr denn auf! Ich
hätte schou lange gedacht, daß es in der Nachbarschaft bald
Hochzeit geben sollte. Ihr gedenket doch zu heiraten?" fragte
der Schulmeister, welcher an die Ausführung seines Feldzugs-
planes allen Ernsts gehen zu wollen schien.
„Ich gedenke zu heiraten!" erwiderte der Nachbar im zärt-
lichsten Tone, der ihm zu Gebote stand, und eine ganze Feuer-
garbe glühender Liebesblicke leuchtete nach dem Fenster hinüber.
Doch die Glut derselben schien nicht sonderlich groß zu sein:
Lisbeth wurde nicht im geringsten versengt, sie arbeitete ruhig
weiter. Der Schulmeister schien bei dieser Beobachtung über
die Kälte und Teilnahmlosigkeit seiner Tochter ärgerlich zu
werden.
„Und warum wartet Ihr denu so lauge?" setzte er darauf
sein Examen fort.
Keine Antwort erfolgte. Die Frage war ungeschickt ge-
stellt, so ungeschickt, daß es kein Echo daraus gab. Eiue selbst-
ständige Antwort, besonders in einer so zarten Angelegenheit,
brachte offenbar Kunz nicht Zustande. So mußte deun der Schul-
meister anders sprechen.
„Ihr wollt wohl warten, bis der zweite Stock auf Euer
Haus gesetzt ist?" sagte jetzt Röhn.
„Bis der zweite Stock ans das Haus gesetzt ist?" replizierte
jener schnell, froh, daß er nicht abermals stumm bleiben mußte.
„Dann führt Ihr ein junges Weibchen heim?" klang es
aus dem Sorgenstuhl.
„Ein junges Weibchen heim!" widerhallte es vom Ofen,
mit einer Nuance der Zärtlichkeit in der Stimme, und eine
zweite Feuergarbe sprühte nach denn Fenster hinüber. Da aber
diese ebenso wenig zündete als die erste, und da auch der Schul-
meister der ermüdenden Unterhaltung überdrüssig war, so trat
eine Pause ein, bis die Frau Schulmeisterin hereinkam und die
Unterhaltung in ähnlicher Weise wie vorher ihr Mann noch eine
Weile sortsührte. Unterdessen war die Zeit zum Schlafen-
gehen gekommen. Nachbar Kunz empfahl sich, nachdem er noch
einen letzten — allerdings wiederum vergeblichen — Vcwuch
gemacht hatte, durch die zärtlichsten Blicke das Herz der Näherin
zum Glüheu zu bringen. Nach seinem Weggehen gab es noch
eine Scene zwischen Vater nnd Tochter.
„Nun, ich dächte doch," begann der Schulmeister höhnisch,
„die Jungfer hätte auch ein wenig zur Unterhaltung mit Nachbar
Kunz beitragen können."
Das bleiche Mädchen schaute ruhig und nichrs ahnend auf.
„Ich meinte, Herr Vater, daß Ihr es nicht gern hättet.
Ihr habt mir schon einigemale gesagt, ich solle vor Fremden
nicht sprechen, wenn Ihr da wäret."
„Vor Fremden!" rief der Schulmeister, während seine
Aeuglein bereits zu blitzen anfingen. „Ist denn Herr Kunz ein
Fremder? Er ist uns ein lieber Nachbar und — wird uns
hoffentlich noch mehr werden!"
Verwundert schaute das Mädchen hinüber, schwieg aber.
„Hast Du's gehört?" rief der Schulmeister, „hoffentlich
wird er uns noch mehr werden!"
„Gehört habe ich es wohl, Herr Vater, ich verstehe es
aber nicht recht," sagte Lisbeth ruhig.
„Du verstehst es nicht? So weißt Du nicht, welche ge-
heimen Wünsche und Hoffnungen Herr Kunz hegt?" fragte
Herr Röhn.

„Nein, Herr Vater. Wie sollte ich auch davon wissen?"
erwiderte sie. Ihre Stimme aber bebte leise, ein Zeichen, daß
dennoch eine Ahnung in ihr aufdämmerte.
„Nun, er will, um es Dir kurz Zu sagen, er will — Dich
zur Frau Kunzin machen!" schrie der Schulmeister.
„Herr Vater!" schrie das Mädchen, während ihr Gesicht
totenblaß wurde und ihre Kniee Zu wanken begannen.
„Was schreist Du auf? Ist Dir diese Neuigkeit so
schrecklich?" fragte der Vater mit grollender Stimme.
Keine Antwort erfolgte. Die Augen blieben zu Boden
gesenkt, Zwei schwere Thränen lösten sich ans ihnen und rollten
über ihre entfärbten Wangen.
. Scheint Dir's ein Unglück, an der Seite jenes Mannes
zu leben? Er ist nicht mehr gerade jung, aber er ist immer
noch in den besten Jahren und hat über eine kernfeste Gesund-
heit zu verfügen. Er ist auch nicht schön. Doch was ist Schön-
heit? Diese verfliegt, ehe man sich umsteht. Freilich ihr jungen
— Gänschen habt darüber andere Ansichten. Doch das wird
sich auch bei Dir noch ändern, wenn Tu etwas älter geworden
bist. Er ist auch nicht gerade witzig. Doch wozu bedarf er
auch des Witzes? Um seine Pflichten, wie sie Tag für Tag
an ihn herantreten, zu erfüllen, hat er Verstand genug. Dafür
aber ist er ein ehrlicher, aufrichtiger Mensch, welcher kein Falsch
in sich hat; und, was man jedenfalls auch nicht unterschätzen
darf, er ist wohlhabend. Bist Du Frau Kunzin, dann können
wir der Zukunft ruhig entgegensehen. Du weißt, wie es mit
uns steht, daß nns die nächsten Monden brodlos machen können.
Doch die Schwiegereltern, die nächsten Anverwandten des wohl-
habenden Kunz, sind vor jeder Not gesichert.
„Vater, Vater!" rief Lisbeth, von tätlicher Angst gefoltert,
„ich will ja arbeiten — Tag und Nacht — ohne Unterlaß, —
will Euch — durch meiner Hände Arbeit — bewahren — vor
Not. — Aber — verschont mich! — Nur das nicht — nur
das uicht!"
Röhu schaute überrascht auf seine in abgebrochenen, ver-
zweifelten Tönen klagende Tochter nnd fühlte ein gewisses
Mitleid in seinem Innern sich regen. Da wurde seine Rechte
von der zitternden Hand seiner Frau, welche die ganze Zeit
über ängstlich zur Seite gestanden hatte, bittend erfaßt und er
vernahm die Worte:
„Habe Mitleid mit dem armen Kinde. Sieh' ihre Qual.
Mache sie nicht für ihr ganzes Leben unglücklich.
Jetzt war cs aus mit der Fassung des jähzornigen Mannes.
Er schleuderte die Hand seiner Frau zurück und schrie:
„Wie? Also ein Komplott ist das, eine Verschwörung der
Frauenzimmer? Es wird hinter meinem Rücken etwas gesponnen,
was ich nicht wissen soll? Und Du", wendete er sich mit zorn-
glühenden: Gesichte an seine Tochter, „Du hast bereits gewählt,
Deiu Herz ist uicht mehr frei, sonst würdest Du uicht in solcher
Weise Dich weigern, auf meinen Wunsch einzugeheu."
Lisbeth wollte auf ihre Kniee sinken, doch ein gebietender
Wink des erzürnten Vaters zeigte nach der Thüre ihrer Kammer.
So richtete sie sich denn aus und wankte nach ihrem Schlaf-
gelaß. Der Schulmeister ging noch einige Zeit im Zimmer hin
und her, während seine Frau in einer Ecke saß und stille vor
sich hinweinte. Nach einiger Zeit hatte sich die Aufregung des
Hausherrn einigermaßen gelegt, und nicht lange darauf herrschte
Ruhe in der Schulmeisterswohuuug.
 
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