DOI Heft:
Nr.1 (1. Januar 1888)
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.29790#0002
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Am Rhein in -er Aternennacht.
as ist ein Tönen und ein Wogen
Jni alten Rhcinsteom wunderbar,
Wenn hoch am Himmel aufgezogen
Der Steine Schaar, so licht und klar! —
Wenn rings umher des Tages Leben
Schon 'ängst in süßem Schlummer ruht,
Danu wacht ein geisterhaftes Weben
Da unten auf in blauer Flut.
Da steigen auf zu Spiel und Tanze
Die Nixen und die Wasserfei'n
Und schlingen bei des Mondes Glanze
Zum Welleuspiel den wilden Reih'n:
Und tauchen aus und tauchen nieder
Im wogengrünen Wasserkleid,
Und singen wundersame Lieder
Von alter aoldner Märcheuzeit.
Und wer einmal dem Lied gelauschet,
Am Rhein in soleb.er Sternennmüt,
Das durch die Meuschenscele rauschet
MÜ eigen süßer Zaubermacht: —-
Den zieh'n geheimnisvolle Bande,
Mag er auch noch so ferne sein,
Zum alten, schönen Märabenlande,
Zum Rhein, zum lieben deutschen Rhein.
Chemnitz. Emil lvtNUjcw.
Irr Zugelaufene.
Eine Erzählung aus Kansas' alten Tagen, von I. W. Steele
/ Einleitung.
s .. eitdem es dem Landmann ^m fernen Westen ermöglicht
wurde, sich in bisher gefährdeten und deshalb unbesiedel-
, rd. ten Gegenden niederzulassen, die Eisenbahnen neue Pfade
geschaffen und das eherne Roß die Indianer und Büffel
o verdrängt hat, haben sich die Staaten und Territorien im
südwestlichen Teile dieses Landes in einer so stauuenerregenden
Weise entwickelt, daß dies jeden Beobachter, der nur einigermaßen
mit der Geschichte derselben vertraut ist, mit wahrer Bewunde-
rung erfüllen, muß. Selbst in der Republik Mexico, in der sich
seit den drei Jahrhunderten ihrer teilweisen Besiedelung durch
die Spanier eine gemächliche Lebensweise und Indolenz einge-
bürgert hatte, die jeder Neuerung und jedem Fortschritte so ab-
hold war, ist jetzt eine großartige Umwälzung eingetreten, seit-
dem amerikanischer Unternehmungsgeist dort neue Pfade herge-
stellt. Diese neueste Entwickelung in Mexico und den anderen
Staaten und Territorien des amerikanischen Südwestens zu ver-
folgen, muß fast für jeden Deutschen von hohem Interesse sein,
Während eine eingehendere Erkenntnis der jetzt daselbst herrschen-
den Verhältnisse unzweifelhaft für viele sehr großen Wert be-
sitzt. Von dieser Überzeugung ausgehend, nrde eine Monats-
schrift*) in Topeka, Kansas, gegründet, welche den Namen „Neue
*) Für Deutschland per Jahr Ml. 5.
Pfade im fernen Westen" erhalten hat und deren Zweck es sein
soll, die Deutschen mit den: fernen Westen und seinen Eigen- >
heilen, Hilfsquellen und Naturschönheiten näher bekannt zu machen,
als dies, wie wir glauben, bisher geschehen ist. Wir bringen
unfern Lesern mm eine Novelle aus genannter Monatsschrift
dar, die ebenso einen Einblick in die dortige Litteraturverhält-
nisse gestattet, und geeignet sein dürste, dem Unternehmen einen
ansehnlichen Leserkreis zu gewinnen.
E r st e s K a pite l.
Rockton! war der Name, und dies war auch alles; höchstens
vielleicht noch die Hoffnung, die sich zuweilen an einen Namen
knüpft. — Einem Fremden hätte es Wohl Schwierigkeiten ge-
macht, auszusinden, welche bestimmte Stelle aus der Prairie man
eigentlich mit dem Namen „Rockton" bezeichnen wollte, aber aus
viele Meilen hinaus entlang der Prairiepfade und in den nächsten
Ansiedlungen galt es als eine selbstverständliche Sache, daß
Rvckton gerade hier lag. Vielleicht hatte man, nach der Sitte
des Landes, davon geträumt, daß diese Stelle einmal der Sitz
der County-Verwaltung werden würde und man dann den einzi-
gen Handelsartikel, den Erdboden, in Gestalt von Bauplätzen
verlausen könnte. Aber bis jetzt fehlten hier sogar noch der üb-
liche Laden und die Schmiede, die noch nach altem westlichen
Brauch notwendig sind, um eine „Stadt" zu bildcu. Ja, nicht
einmal eine Poststube war vorhanden, obgleich unsere wohlwoll-
ende und freigebige Regierung diese Eonvcnienzen für die Land-
bevölkerung doch sonst immer nach den abgelegensten Ecken und
Winkeln zu verlegen Pflegt. Rockton und das ganze weite Ge-
biet, welches ihm zu seinem Wachstum überlassen worden, waren
immer noch von jener eigentümlichen Stille durchweht, welche
man nur in den Prairiewildnissen kennt, ehe die Menschen dort- j
hin kommen, mit ihren Pflügen und Stacheldrahtzäunen, ihren
Streitigkeiten und ihren „Verbesserungen".
Aber da, wo früher einmal einige Bäume gestanden, war
doch etwas vorhanden. Ein halbvcrsaulter Stangenzaun, den:
das Alter ein etwas achtbares Aussehen verliehen hatte, zog sich,
mit Ranken verziert, zwischen den verwitterten Baumstumpen
der kleinen „Klärung" hin. Tas Häuschen, welches innerhalb
dieser Einfriedigung stand, war stark gealtert und zeigte nur zu
deutlich die Spuren der Vernachlässi-mng und des Verfalls.
Tie Baumstämme, aus welchen es hergestellt worden, waren jetzt
wurmstichig und die Ecken eingesunken. Aber dies war Wohl
nicht zu bewundern, denn die alte Indianerin „She—mah —gah"
hatte schon vor zwanzig Jahren ihren Einzua in diese Hütte
gehalten und als sie dieselbe schließlich dem jetzigen Eigentümer,
Shultz, verkaufte, war nicht mehr viel zu verbessern und Schultz
dachte auch gar nicht hieran. Abseits vom Hause, am Fuße
des Hügels und da, wo die Zwillings-Kade, welche man Land-
straße nannte, durch deu kleinen Bach führten, stand eine Sage-
mühle, denn Shultz War iu dieser Gegend, die nur aus unbe-
grenzter Prairie bestand, zum Holzhüudler geworden. Aber nur
manchmal setzte sich die alte hüstelnde Maschine in Bewegung
und trieb die stumpfe Kreissäge durch ein Paar Eottonwoodstämme.
Der Name „Rockton" war jedoch nicht sehr populär,
wenigstens nicht bei dem jüngeren Teil der kleinen Bevölkerung
der Umgegend, welcher die Bezeichnung „Shultz's Sägemühle"
für passender und bequemer hielt, obgleich die Anwendung der
beiden Namen für den Fremden manchmal sebr unangenehm
wurde. Denn bei seinen Wanderungen durch das den Bach be-
grenzende Gebüsch oder die zahlreichen kleinen Vertiefungen in
der Ebene wurde der Fremde, dem zweierlei Auskunft geworden,
Am Rhein in -er Aternennacht.
as ist ein Tönen und ein Wogen
Jni alten Rhcinsteom wunderbar,
Wenn hoch am Himmel aufgezogen
Der Steine Schaar, so licht und klar! —
Wenn rings umher des Tages Leben
Schon 'ängst in süßem Schlummer ruht,
Danu wacht ein geisterhaftes Weben
Da unten auf in blauer Flut.
Da steigen auf zu Spiel und Tanze
Die Nixen und die Wasserfei'n
Und schlingen bei des Mondes Glanze
Zum Welleuspiel den wilden Reih'n:
Und tauchen aus und tauchen nieder
Im wogengrünen Wasserkleid,
Und singen wundersame Lieder
Von alter aoldner Märcheuzeit.
Und wer einmal dem Lied gelauschet,
Am Rhein in soleb.er Sternennmüt,
Das durch die Meuschenscele rauschet
MÜ eigen süßer Zaubermacht: —-
Den zieh'n geheimnisvolle Bande,
Mag er auch noch so ferne sein,
Zum alten, schönen Märabenlande,
Zum Rhein, zum lieben deutschen Rhein.
Chemnitz. Emil lvtNUjcw.
Irr Zugelaufene.
Eine Erzählung aus Kansas' alten Tagen, von I. W. Steele
/ Einleitung.
s .. eitdem es dem Landmann ^m fernen Westen ermöglicht
wurde, sich in bisher gefährdeten und deshalb unbesiedel-
, rd. ten Gegenden niederzulassen, die Eisenbahnen neue Pfade
geschaffen und das eherne Roß die Indianer und Büffel
o verdrängt hat, haben sich die Staaten und Territorien im
südwestlichen Teile dieses Landes in einer so stauuenerregenden
Weise entwickelt, daß dies jeden Beobachter, der nur einigermaßen
mit der Geschichte derselben vertraut ist, mit wahrer Bewunde-
rung erfüllen, muß. Selbst in der Republik Mexico, in der sich
seit den drei Jahrhunderten ihrer teilweisen Besiedelung durch
die Spanier eine gemächliche Lebensweise und Indolenz einge-
bürgert hatte, die jeder Neuerung und jedem Fortschritte so ab-
hold war, ist jetzt eine großartige Umwälzung eingetreten, seit-
dem amerikanischer Unternehmungsgeist dort neue Pfade herge-
stellt. Diese neueste Entwickelung in Mexico und den anderen
Staaten und Territorien des amerikanischen Südwestens zu ver-
folgen, muß fast für jeden Deutschen von hohem Interesse sein,
Während eine eingehendere Erkenntnis der jetzt daselbst herrschen-
den Verhältnisse unzweifelhaft für viele sehr großen Wert be-
sitzt. Von dieser Überzeugung ausgehend, nrde eine Monats-
schrift*) in Topeka, Kansas, gegründet, welche den Namen „Neue
*) Für Deutschland per Jahr Ml. 5.
Pfade im fernen Westen" erhalten hat und deren Zweck es sein
soll, die Deutschen mit den: fernen Westen und seinen Eigen- >
heilen, Hilfsquellen und Naturschönheiten näher bekannt zu machen,
als dies, wie wir glauben, bisher geschehen ist. Wir bringen
unfern Lesern mm eine Novelle aus genannter Monatsschrift
dar, die ebenso einen Einblick in die dortige Litteraturverhält-
nisse gestattet, und geeignet sein dürste, dem Unternehmen einen
ansehnlichen Leserkreis zu gewinnen.
E r st e s K a pite l.
Rockton! war der Name, und dies war auch alles; höchstens
vielleicht noch die Hoffnung, die sich zuweilen an einen Namen
knüpft. — Einem Fremden hätte es Wohl Schwierigkeiten ge-
macht, auszusinden, welche bestimmte Stelle aus der Prairie man
eigentlich mit dem Namen „Rockton" bezeichnen wollte, aber aus
viele Meilen hinaus entlang der Prairiepfade und in den nächsten
Ansiedlungen galt es als eine selbstverständliche Sache, daß
Rvckton gerade hier lag. Vielleicht hatte man, nach der Sitte
des Landes, davon geträumt, daß diese Stelle einmal der Sitz
der County-Verwaltung werden würde und man dann den einzi-
gen Handelsartikel, den Erdboden, in Gestalt von Bauplätzen
verlausen könnte. Aber bis jetzt fehlten hier sogar noch der üb-
liche Laden und die Schmiede, die noch nach altem westlichen
Brauch notwendig sind, um eine „Stadt" zu bildcu. Ja, nicht
einmal eine Poststube war vorhanden, obgleich unsere wohlwoll-
ende und freigebige Regierung diese Eonvcnienzen für die Land-
bevölkerung doch sonst immer nach den abgelegensten Ecken und
Winkeln zu verlegen Pflegt. Rockton und das ganze weite Ge-
biet, welches ihm zu seinem Wachstum überlassen worden, waren
immer noch von jener eigentümlichen Stille durchweht, welche
man nur in den Prairiewildnissen kennt, ehe die Menschen dort- j
hin kommen, mit ihren Pflügen und Stacheldrahtzäunen, ihren
Streitigkeiten und ihren „Verbesserungen".
Aber da, wo früher einmal einige Bäume gestanden, war
doch etwas vorhanden. Ein halbvcrsaulter Stangenzaun, den:
das Alter ein etwas achtbares Aussehen verliehen hatte, zog sich,
mit Ranken verziert, zwischen den verwitterten Baumstumpen
der kleinen „Klärung" hin. Tas Häuschen, welches innerhalb
dieser Einfriedigung stand, war stark gealtert und zeigte nur zu
deutlich die Spuren der Vernachlässi-mng und des Verfalls.
Tie Baumstämme, aus welchen es hergestellt worden, waren jetzt
wurmstichig und die Ecken eingesunken. Aber dies war Wohl
nicht zu bewundern, denn die alte Indianerin „She—mah —gah"
hatte schon vor zwanzig Jahren ihren Einzua in diese Hütte
gehalten und als sie dieselbe schließlich dem jetzigen Eigentümer,
Shultz, verkaufte, war nicht mehr viel zu verbessern und Schultz
dachte auch gar nicht hieran. Abseits vom Hause, am Fuße
des Hügels und da, wo die Zwillings-Kade, welche man Land-
straße nannte, durch deu kleinen Bach führten, stand eine Sage-
mühle, denn Shultz War iu dieser Gegend, die nur aus unbe-
grenzter Prairie bestand, zum Holzhüudler geworden. Aber nur
manchmal setzte sich die alte hüstelnde Maschine in Bewegung
und trieb die stumpfe Kreissäge durch ein Paar Eottonwoodstämme.
Der Name „Rockton" war jedoch nicht sehr populär,
wenigstens nicht bei dem jüngeren Teil der kleinen Bevölkerung
der Umgegend, welcher die Bezeichnung „Shultz's Sägemühle"
für passender und bequemer hielt, obgleich die Anwendung der
beiden Namen für den Fremden manchmal sebr unangenehm
wurde. Denn bei seinen Wanderungen durch das den Bach be-
grenzende Gebüsch oder die zahlreichen kleinen Vertiefungen in
der Ebene wurde der Fremde, dem zweierlei Auskunft geworden,