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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 5.1888

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Nr. 9 (1. September 1888)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29790#0072
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Lied sucht entweder durch allzu künstliche Form den mangeln-
den Inhalt zu verdecken, oder der Gedanke desselben entbehrt
des künstlerischen Ausdrucks. Sehr wirksam wird es sich machen,
wenn du den Autor zuweilen für einige Jahre auf die Schul-
bank verweist oder ihm rätst, sich auf einige Wochen in ein
Irrenhaus zurückzuziehen. Auf diese Weise wirst du dir nicht
allein die Freundschaft deiner Freunde für Zeit und Ewigkeit
sichern, sondern du wirst auch deine Feinde zu dir bekehren,
lind sie werden dich loben, damit du ihneu nicht schadest.
Nun ist für dich die Zeit zu einer großen That gekommen.
Es gilt, dich zum König, zum anerkannten Primas der littera-
rischen Welt zu machen. Du schreibst ein Buch! Der Gedanke,
daß dies ein ernstes und schweres Stück Arbeit ist, wird dir in
diesem Stadium deiner Entwickelung kaum mehr kommen. Ter
Titel allein macht dir vielleicht einige Sorge, denn der Titel
ist imgrunde die Hauptsache. Er muß einschlagen wie ein Blitz,
vielversprechend sein wie ein Geheimnis und pikant wie der
neueste Skandal. Er muß das ganze Buch in ein Parfüm
hüllen, das den Leser berauscht und ihn zum nüchternen Lesen
gar nicht kommen läßt. Und der Inhalt? — Du sprichst von
der Verirrung der modernen Litteratur, von dem Abgrunde, dem
sie unaufhaltsam entgegentreibe, und von dem bevorstehenden
kläglichen Untergang derselben. Kein Werk sei dir dabei zu
groß, als daß du es nicht hernnterreißen, kein Geist zu ge-
waltig, als daß du ihn nicht den verlorenen zuzählen solltest.
Und wenn du das Elend in den schaurigsten Tönen gesungen
hast, so stimme deine Leier zu einem hohen Liede auf das
Thema: „Allah ist groß und Muhammed ist sein Prophet!"
Hingerissen von dem Schwünge deiner Sprache und der Gewalt
deines — Geistes will ich nicht sagen, aber — deines Mundes
wird die Mitwelt dich auf den Schild erheben und dich vor dem
In- und Auslande als den berühmtesten Vertreter der modernen
Litteratur, als den literarischen Messias der Gegenwart feiern
und Preisen.
Das große Ziel ist erreicht: dn bist ein berühmter Mann.
Von nun an darfst du machen, was du willst, es wird
dir alles gelingen. Dein Name allein wird hinreichcn, jedem
deiner Werke den Stempel des Geistes aufzudrücken. Es wird
als ein Zeichen der Bildung gelten, die Titel deiner Bücher
auswendig zu wissen. „Kennen sie das neueste Buch von
Kühnemann? Wie gefällt es ihnen? Ist cs nicht reizend?"
Diese Fragen werden überall aus der Tagesordnung stehen, und
die Antwort: „Geistvoll, entzückend, großartig!" wird überall
zu hören sein.
Das, mein lieber Neffe, ist der Weg zum Ruhm! „Aber",
rufst du aus, „dieser Weg verdient eher durch eine Warnungs-
tafel als durch einen Wegweiser ausgezeichnet zu werden!"
Nun, wenn du den Wegweiser für eine Warnungstafel nehmen
willst, so habe ich nichts dagegen. Lies also immerhin: „Ver-
botener Weg!" Und wenn dir einmal ein „berühmter Mann"
entgegentritt, so sieh ihn dir ja daraufhin genau an, ob er nicht
auf diesem verbotenen Wege zum Ziel gelangt ist.
Dein alter Onkel
Peter Freimund.

Allerlei.
Sas Martinrfill ;u Sil; In der Pfalz existieren noch Gebräuche,
die aus den Zeiten allgemeiner, schwerer Not stammen und noch heute
als ein Vermächtnis der Voreltern von vielen beobachtet werden. In der
Gemeinde Rülzheim z B. wird am 5t. Johannisfeste gefastet, die
Arbeit eingestellt und viele gehen barfuß in den feierlichen Gottesdienst,
der an dcesem Tage gehalten wird zur Erinnerung an die große Pest,
die ehemals das Land verheerte. In der Gememde Herxheim fährt
am Laurenzitag ein wagen durch tue Straßen, auf den aus jedem Hause
Brod gelegt wird, das dann auf der Banngrcuze an die Armen der Um-
gegend verteilt wird. Zur Zell der Pest nemlcch waren die Geschäften,
in welchen sie herrschte, abgesperrt, die Bewohner der Nachbarorte legten
also Lebensmittel auf die Banngrenze, wo sie von den unglücklichen Ein-
wohnern abgeholt wurden. Sum Danke und zur Erinnerung an jene
schlimmen Zelten wurde dec schöne Gebrauch eingeführt und brs jetzt be-
obachtet. — Auch in Silz besteht ein solcher Gebrauch. Am Scste des
hl. Sebastianus (20. Januar) wallfahrten seit undenklichen Zeiten bei
guter oder schlechter Witterung Scharen von Menschen aus nahen und
entfernt gelegenen Grten nach Sulz zur Erinnerung an eine große Vieh-
seuche, die ehedem hier und in weitem Umkreis grassiert hatte. Am
Sebastiansfeste und tags, vorher ist ausgiebige Gelegenheit den Wall-
fahrern und Grtsangehörigen gegeben, ihre Andacht zu halten. Die
Sülzer Einwohner beobachten strenges Lasten bis zur Mittagszeit, die
Haustiere erhalten ebenfalls kein Sutter bis Mittag und der Lag wird
gefeiert wie ein Sesttag. Seierlicher Gottesdienst mit Sestpredigt findet
statt und die fremden Geistlichen, die zur Aushilfe sich einfinden, haben
vollauf zu thun. - Silz hieß im Jahre 1470 Sulzfeld; seine damalige
ganz kleine Kapelle erfuhr im Laufe der letzten zwanzig Jahre eine zwei-
malige, bauliche Veränderung, sodaß jetzt die große, stattliche Kirche das
Dorf zieren würde, wenn der Kirchturm eine andere Sorm, etwa wie jener
in Vorderweidenthal, hätte. Die alte Grgel in der Kirche ist ein Ver-
mächtnis aus dem Lußertsaler Kloster, während der französischen Reunion
kehrten die Gemeinden Gossersweiler, Lug, Schwanheim, Sitz und Völ-
kersweiler zum kathol. Glauben zurück und retteten hierdurch ihre
Kirchen und Gefälle infolge des französischen Schutzes. — Eme besonders
beachtenswerte Zierde des Dorfes ist die große Linde an der Kirche mit
ihrer herrlichen Krone. Ihr Stamm hat eine Länge von 5,4 Meter und.
mittleren Durchmesser von 1,25 Meter, repräsentiert sonach 6,65 Scstmeter
Im Jahre 1S76 wurde eine Mauer zum Schutze der wurzeln angelegt,
allein dieselbe scheint zu enge zu sein, die Nahrung mangelt und viel zu
früh entblättert sich die schattcnbringende Krone. Ls wäre schade, wenn
dieser Baum nicht weiter gepflegt und vor allzu schnellem verfallen ge-
schützt würde, denn Touristen, Sremde und Einheimische bewundern diesen
majestätischen Baum, dessen Gleichen nicht leicht zu finden sein dürfte.
Ebcrnburg, 12. Juli. In dem Turme der Simultankirche zu Cbern-
burg hängt eine alte Glocke, die z St. zum katholischen und protestan.
tischen Gottesdienste benützt wird. 'Sie stammt aus dem Jahre 142S laut
der deutlichen Inschrift um den oberen Rand: (-lorck* in* exceHH* äeo*
et* in* territ* Kominidu8* bonv* anu8* äei* mo* 666T*XXIX*. Auf
ter vorder- und Hinterseite, je unter den Worten ßstoriu und Kominibu8
befindet sich eine Kreuzigungsgruppe. Sie ist bis zur Krone 75 cm, mit
der Krone S0 em hoch, unterer Durchmesser SO cm Ihr Ton ist voll
und schön.

Briefkasten.
Nach Breslau. Ihr wertes empfangen und zur Besorgung an
die Expedition gesandt, da nur diese verlangtes besorgt.

Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Hüll, Ar. N. Neustadt a. d. H.
Truck und Verlag von H. K a y s e r in Kaiserslautern.
 
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