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Monatsblätter für christliche Kunst I. Jahrgang, 7. Heft, April 1909
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst. Preis für den Jahrgang inkl. Frankozustellung M 3.—

ÜBER DIE HEUTIGE LAGE DER
CHRISTLICHEN KUNST
ie belgische Kunstzeitschrift „Bulletin des
Metiers d’art“ veröffentlicht in ihrer
Novembernummer (8. Jahrg., Nr. 5, S. 156)
einen Artikel „Niedergang der religiösen Kunst“,
der vieles enthält, was auch auf unsere deutschen
Verhältnisse genau passt, und dem wir folgende
Stellen entnehmen.
„In den Schichten, wo man den guten Ge-
schmack und das Verständnis für das Schöne
zu besitzen behauptet, gehört es zum guten
Ton, auf unsere religiöse Kunst verächtlich
herabzublicken. Geringschätzig und spöttisch
unterstreicht man ihre Mängel, und oft schreibt
man ihr Fehler zu, deren sie nicht schuldig
ist. . . . Andernteils gibt man sich nicht damit
ab, die zu ihrer Gesundung nötigen Heilmittel
zu suchen, und das setzt uns nicht in Erstaunen.
Es ist leichter, mit Sarkasmen um sich zu
werfen, als praktische Verbesserungsvorschläge
zu machen, und die Spötter zu ermuntern ist
bequemer, als jene zu unterstützen, welche
nach bestem Wissen und Gewissen an einer
Erneuerung arbeiten. “
Das ist eine schwere Klage, die im Verlauf
des Artikels wiederholt anklingt. Doch der
Schluss lautet hoffnungsvoll, und weil das dort
(S. 159) Gesagte auch in Deutschland zutrifft,
lassen wir es wörtlich folgen.
„Der grosse Stein des Anstosses ist die
Unwissenheit, und wie in allem, so bleibt

auch in der Kunst das Sprichwort: „Ignoti
nulla cupido“ ewig wahr. Aber wie kann
man die unwissende Menge erziehen? Zuerst
muss man ihr beibringen, welchen Platz die
Kunst in der Religion einnimmt. Denn viele
bilden sich ein, dass die Kunst eine nichtige
Sache und ein weltlicher Zeitvertreib sei. Man
lege dar, wie das Christentum der Kunst stets
den Lebensodem verlieh, wie es die Kunst
hob und welche Wunder die christliche Kunst
hervorgebracht hat. Das wird den Ausgangs-
punkt zu einem Gefühl für das Schöne in den
Seelen bilden.
„Und für die Durchführung dessen, für die
Verfeinerung des Geschmacks für das Schöne
und zur Wiedergeburt der religiösen Kunst
ist die Rolle des Klerus hochwichtig; nach
gewissen Anzeichen zu urteilen, bekundet der
Klerus in erfreulicher Weise, dass er sich
darüber Rechenschaft gibt.
„Die Zahl der jungen Priester, welche von
der christlichen Kunst begeistert sind, wächst
zusehends; sie werden Sorge tragen, dass
eines Tages unsere Kirchen und Kapellen nur
mehr mit künstlerischen und frommen Werken
geschmückt sind.“
In Deutschland haben sich viele Geistliche
der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst
angeschlossen, die teils durch ihre öffentliche
Wirksamkeit, teils in stiller Aufklärungsarbeit
an der Hebung der christlichen Kunst arbeitet.
27 Mitglieder des hochwürdigsten Episkopats
zeichnen sie durch ihre Beteiligung aus.
 
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