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Monatsblätter für christliche Kunst

I. Jahrgang, 8. Heft, Mai 1909
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst. Preis für den Jahrgang inkl. Frankozustellung M 3.—

MEINE BEMÜHUNGEN UM MODERNE
GRABDENKMÄLER
Wenn wir unsere Landfriedhöfe durch-
schreiten, sehen wir nicht viel Schönes
mehr. Gute alte Denkmäler, soweit sie über-
haupt vorhanden waren, sind verschwunden,
einige schmiedeiserne Grabkreuze fristen in
einer Kirchhofecke oder an einem verwahr-
losten Grabe ein verrostetes Dasein. Dafür
drängen sich formlose Denkmäler aus weissem
Karrara und schwarzem Syenit mit möglichst
schlechten Schriften auf, und es glotzen im
Scheingold Dutzende gegossener, plumper
Eisenkreuze an den Gräbern. Und all diese
Denkmale, die das Brandmal des Unpersön-
lichen tragen, stören mich auf den Land-
friedhöfen mehr als in den Friedhöfen der
Städte. Vom Landfriedhof aus schweift eben
das Auge hinaus in die grosse, herrliche
Natur, auf die starke Linie der Berge, auf
die breiten Flächen der Wälder und Wiesen,
und das Ohr labt sich an dem grossen, tiefen
Schweigen. Und so möchte auch Auge und
Herz auf einem Landfriedhof doppelt Schön-
heit und Ruhe finden im Einklang mit der
Grösse der Natur und ihres Schweigens.
Manche Stimme erhob sich schon in den
Tagesblättern und in den Schriften, welche
Kunst und Heimatliebe pflegen. Aber die
Stimme ist verhallt wie in einem frisch ver-
schneiten Walde. Die Ohren des Volkes ver-
standen diese fremde Stimme nicht, weil der

Sinn für Schönheit und Gediegenheit abhanden
gekommen. Manche aber, welche die Stimme
verstanden, rührten sich nicht. Einmal hat
mich diese Stimme gewaltig gepackt und
nicht mehr ausgelassen, bis die Tat folgte
und einige gute Denkmäler in die Friedhöfe
kamen.
Ich will gleich sagen, was die Tat gebiert:
Überredung, Erklärung, die Mahnung zum
Gedulden, und das alles möglichst bald, um
den Steinmetzen zuvorzukommen.
Die Steinmetzen sind Geschäftsleute und
haben Konkurrenten. Fleissig durchsuchen
sie die Zeitungen nach Todesanzeigen. Und
dann kommen sie zur Beerdigung, zum Gottes-
dienst, gehen zum Opfer, um hernach beim
Leichentrunke sich zu empfehlen und das
Geschäft abzumachen. Vielleicht geschieht
das manchmal schon, so lange noch die Leiche
auf dem Brette liegt. Schön finde ich die
Zu- und Aufdringlichkeit zwar nicht, aber ich
finde sie begreiflich. Denn mit den Steinmetzen
können die Bauern gleich über die Art des
Grabmals verhandeln und sich über den Preis
einigen. Sie können es ähnlich machen, wie
wenn sie beim Krämer Kaffee kaufen oder
beim Schneider sich ein Gewand machen
lassen. Und das ist ihnen gewohnt und das
finden sie einfach und natürlich. Dazu kann
ein fixer Steinmetz sagen: „Dies Modell ist
schon vorrätig und bis zu den letzten Gottes-
diensten steht das Grabmal mit goldglänzender
Schrift an Ort und Stelle.“ Und wie nun ein-
 
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