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Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk
III. Jahrgang, 4. Heft, Januar 1911
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3.—

DIE GEBURT CHRISTI
in den Darstellungen der altchristlichen und
byzantinischen Kunst
Von E. Wüscher Becchi (Narni)
ie Geburt Christi ist oft und viel von
der frühchristlichen Kunst dargestellt
worden; wir finden sie sowohl auf Sarkophagen
irrt Relief, als auch auf den Wandmalereien
der Katakomben. Freilich sind diese sehr
verschieden von den spätem, uns geläufigen
und so lieb gewordenen Szenen, die uns die
Geburt Jesu im Stalle zu Bethlehem, die An-
betung der Hirten und Könige vorführen.
Wir haben nur spärliche Reste jenes Frühlings
der christlichen Kunst, die sich noch enge an
die klassische anlehnt. Auf den Sarkophagen
wo wir die grösste Anzahl dieser Szenen
finden, war der Künstler im Raum schon
beschränkt, das langgestreckte Rechteck der
Vorderseite zwang ihn, mit dem verfügbaren
Raum zu geizen; derselbe gestattete ihm nur
ein Nebeneinander isoliert stehender Figuren,
kein Hintereinander; auch konnte der Ort,
an welchem die Szene spielt, nur angedeutet
werden. Maria mit dem Jesusknaben in der
Krippe, Joseph und einige Hirten bilden die
Gruppe, die, wenn -auch noch die drei Weisen
dazu kommen, wie dies öfters geschieht, oft
recht zusammengedrängt erscheint.
Eine besondere Art der Darstellung von
Christi Geburt bildet die Szene der Mutter
mit dem Jesuskind im Schosse und daneben

ein, oft auch zwei Propheten. Diese Szene
stellt dann die „erfüllte Prophezeiung“
des Isaias (oder Balaam) dar und ist vielleicht
die älteste bildliche Darstellung von Christi
Geburt. Nicht den wirklichen, sagen wir
historischen Vorgang wollten die ersten
Christen dargestellt wissen, sondern die Er-
füllung der den Vätern des Alten Bundes
gegebenen Verheissung. Hierauf wurde be-
sonderes Gewicht gelegt. Das älteste Beispiel
dieser Art ist die Madonna mit dem Kinde
im Arm, die wir an der Decke einer Krypta
im Coemeterium der Priscilla an der
Salarischen Strasse (die älteste der römischen
Katakomben) gemalt finden, und die wahr-
scheinlich noch dem Ende des zweiten Jahr-
hunderts angehört. Neben der sitzenden
Madonna steht ein Mann im Philosophen-
mantel (pallium) aufrecht, mit der Rechten
nach einem Stern zu Häupten Mariens deu-
tend. Man hält ihn bald für Isaias, bald für
Balaam. Auf letzteren passt aber einzig das
Hinweisen nach dem Stern, denn von ihm
stammt die Prophezeiung: „Es wird ein Stern
aufgehen aus Jakob . . .“. Die Erfüllung ist
eingetroffen, und er wohnt ihr sozusagen als
Zeuge bei. Ein solches Zusammenstellen zeit-
lich und örtlich getrennter Personen ist in der
Kunst früherer Jahrhunderte nichts Seltenes,
ja sogar etwas Gewöhnliches; sehen wir doch,
dass selbst die Künstler der Renaissance diese
Art lieben.
 
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