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Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandiverk
III. Jahrgang, 11. Heft, August 1911
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3.—

DAS KASELKREUZ
Als Hauptzier der Kasel kennen wir heute
AA Kreuz und Stab. Eine symbolische
Deutung und seine Verbreitung hat das Kasel-
kreuz erst verhältnismässig spät erlangt, wie
ein Blick auf die Geschichte der Kasel zeigt,
und dabei ergibt sich auch, dass dieser
Schmuck seine Entstehung nicht einer Bezug-
nahme auf das Kreuz Christi verdankt.
Die mit einem Kreuze versehene Kasel be-
gegnet uns freilich schon sehr früh, z. B. auf
ravennatischen Mosaiken, ferner auf Elfenbein-
bildwerken und Miniaturen um die Mitte des
ersten Jahrtausends, und zwar in der Gabel-
form, die wir heute noch auf den sogenannten
gotischen Kasein haben. Die Träger dieses
Gewandes sind aber auffallender weise auf diesen
Bildern Laien und besonders Juden, wie aus
den dargestellten Szenen erhellt. Daraus geht
hervor, dass dieses Kleidungsstück damals
überhaupt noch nicht ein speziell liturgisches
Gewand war, und dass auch dieser Verzierung
noch keine symbolische Bedeutung beigelegt
wurde. Woher damals die Verzierung stammte,
ist nicht klar. Sie war sehr schmal, und es ist
daher wohl anzunehmen, dass wir in den Bildern
darin die Nähte, die sich vielleicht in dieser
Zusammenstellung aus dem günstigsten Schnitt
ergaben, vor uns haben, oder ein schmales
Zierband, welches die Nähte zudeckte. Dass
aber das Gabelkreuz auch als Schmuck des

liturgischen Gewandes, wenigstens nicht viel
später, vorkam, zeigen uns Kasein, die uns
etwa vom Ende des ersten Jahrtausends er-
halten sind. Aus dem Gesagten ergibt sich,
dass die beiden Erklärungen, die man gern
für die Entstehung des Kaselkreuzes gibt,
nicht aufrecht zu erhalten sind. Die eine
nimmt als Ursprung das Pallium an, die andere
eine mystische Bezugnahme auf das Kreuz
Christi, das jugum Domini.
Verzierte Kasein sind im ersten Jahrtausend
selten. Die Kasel war in der Regel ein ein-
faches, weites, schmuckloses Gewand, die
sogenannte Glockenkasel. Erst im zweiten
Jahrtausend macht sich eine Zunahme der
Verzierungen bemerkbar. Es sind Borten am
Rande, senkrechte Streifen auf Vorder- und
Rückseite, Borten um die Halsöffnung, manch-
mal auch richtige Gabelkreuze. Aber eine
bestimmte Regel existierte noch nicht. „Es
herrscht auf den bildlichen Darstellungen des
io., II. und 12. Jahrhunderts ■ ein völliger
Wirrwarr in der Anbringung der Besätze.“1)
Bestimmte Typen des Kaselbesatzes treten
erst im 13. Jahrhundert auf, und zwar ver-
schieden für den Norden (Deutschland, Frank-
reich, England) und den Süden (Italien). Im
Norden wird vorherrschend das Gabelkreuz
in zwei Formen, Y und die auf der Vorder-

’) P. J. Braun, S. J., Die liturgische Gewandung im
Okzident und Orient. S. 211.
 
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