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Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk
VI. Jahrgang, 4. Heft, Januar 1914
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des vollständigen Jahrgangs Mark 3.—

PREISWERT
as Wort „preiswert“ trägt seine Erklärung
in sich. Wir halten einen Gegenstand
für preiswert, wenn die Summe der ihm eigenen
Werte sich mit der für ihn geforderten Gegen-
leistung deckt. Die Anwendung des Begriffes
in konkreten Fällen begegnet vielfach den
erheblichsten Schwierigkeiten. Man steht näm-
lich zwei gewaltigen Gruppen von Werten mit
den verschiedensten Abstufungen, Arten und
Verschlingungen gegenüber: den materiellen
und geistigen Werten. Nicht selten sind die
Werte schwer erkennbar, unterliegen steten
Schwankungen, ja, entziehen sich überhaupt
einer objektiven Abschätzung. Lässt sich bei
den materiellen Werten wenigstens für einen
bestimmten Zeitraum und Ort eine materielle
Preislage festsetzen, so sind wir bei der Ab-
wägung der geistigen Werte nie imstande,
gleiche Werte für sie anzusetzen, sondern wir
müssen uns begnügen, auch sie mit materiellem
Gewichte zu wägen, wenn es darauf ankommt,
einen „Preis“ anzugeben. Dabei ist leider
seltener die Erkenntnis des geistigen Wertes
als vielmehr die Nachfrage preisbildend. Diese
Sachlage herrscht auf dem Kunstgebiete. Neben
dem reinen Marktpreis, den subjektive Schät-
zungen stark beeinflussen, läuft namentlich in
Hinsicht auf die grosse Mehrzahl der künst-
lerischen Erzeugnisse der Zeitgenossen eine
andere, mehr objektive Abschätzung und diese

stützt sich auf die Herstellungskosten und die
in der Arbeit eingeschlossenen idealen Werte,
hier den „Kunstwert“. Veranschaulichen wir
das Gesagte an Beispielen. Ein Dieb, für den
künstlerische Werte nicht bestehen und der
nicht weiss, dass und wie sich solche in bare
Münze umsetzen lassen, wird nicht etwa eine
wertvolle Holzstatuette stehlen, sondern lieber
ein paar Holzscheite, denn die Figur ist
ihm nur Holz. Kirchliche Gefässe werden
gemeiniglich um ihres Silber- oder Goldgehaltes
willen geraubt, wobei der etwaige ideale Wert
durch Zerbrechen und Einschmelzen der Beute
meistens ohne Bedenken vernichtet wird,
mögen dadurch auch ungeheuere Schätze der
Kunst, auch Altertums-, Geschichts- und reli-
giöse Werte der Vernichtung anheimfallen.
Die Leinwand oder Holztafel eines kostbaren
Gemäldes, etwa des im vorigen Sommer um
eine Million Franken versteigerten kleinen
Bathsebabildes der Steengracht-Sammlung im
Haag von Rembrandt, ist kaum ein paar Mark
wert, die darauf verwendete Farbe ist durch
ihre Verarbeitung völlig wertlos geworden,
auch die anderen preisbildenden Momente;
Arbeitszeit, Ausgaben für Werkstätte, Modelle
u. dgl. sind nicht immer erheblich; und doch
-— welchen Preises hält man nicht öfters, wie
z. B. bei dem eben erwähnten Falle, so ein
altes Bild für würdig! Hier treten zu den
objektiven Werten vielfach berechtigte sub-
jektive Schätzungen in Kraft, wie der Wunsch,
 
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