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Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandiuerk


VI. Jahrgang, 12. Heft, September 1914
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des uollständigen Jahrgangs Mark 3.—

ETWAS VOM ALTEN BUCH-
GEWERBE
Von Dr. O. D o er i n g-Dachau
(Schluss)
Während die mittelalterlichen Urkunden,
seien sie von Päpsten, Kaisern oder
anderen Fürsten, Behörden oder Privatpersonen
ausgestellt, im allgemeinen Verfügungen, Regie-
rungsvorschriften, Aufzeichnungen über Rechts-
geschäfte oder dergleichen enthielten, sammelte
sich in den übrigen schriftlichen Denkmälern
jener Zeit der Schatz menschlichen Wissens,
Denkens und Empfindens, sehr wesentlich
nach der religiösen, vielfach auch nach der
profanen Seite hin. Auf diesen Inhalt näher
einzugehen, ist hier nicht am Platze. Das
Schreiben erfolgte auf den zuvor besprochenen
Stoffen mittels des aus Rohr oder (seit dem
7. Jahrhundert n. Chr.) aus dem Gänsekiel
geschnittenen Feder, und mit Tinte oder
Tusche. Während die letztere aus Aquarell-
farben, in China aus Russ besteht, welche
Stoffe mittels Bindemitteln zu Festigkeit und
Haltbarkeit gebracht werden, besteht die
schwarze Tinte aus einer Mischung von Eisen-
vitriol mit Galläpfelextrakt, die daneben be-
liebte rote Tinte aus einer Karminlösung.
Statt dieser alten Herstellungsart gibt es jetzt
mancherlei andere. Da der Schreiber alter
Zeiten sein Pergament für seinen Zweck
in mancherlei Art erst selbst zurechtmachen,

für Federn, Tinte und Tusche selber sorgen
musste, so war die Arbeit wesentlich um-
ständlicher für ihn als für uns, die wir das
alles ohne weiteres und billig zu kaufen be-
kommen. Mittelalterliche Schreiber können
wir noch jetzt in einer grossen Zahl von
zeitgenössischen Malereien und Zeichnungen
bei ihrer Arbeit beobachten Mit besonderer
Häufigkeit sehen wir in dieser Weise z. B.
die vier heiligen Evangelisten, auch die vier
heiligen Kirchenväter beschäftigt; aber auch
an Abbildungen schreibender Mönche und
anderer Personen fehlt es nicht. Die Aus-
stellung hat ein sehr hübsches Diorama her-
gerichtet, welches die volle Einrichtung einer
mittelalterlichen Schreibstube vor Augen führt.
In die Herstellung einer mittelalterlichen Hand-
schrift teilten sich gewöhnlich zwei Personen.
Die eine war der Schreiber, der, nachdem er
seine Pergamentseite sorgfältig liniiert hatte,
die Werke niederschrieb, hierbei aber Räume
für besonders bevorzugte grosse Anfangs-
buchstaben oder Kapitelanfänge, sowie für
den ornamentalen und bildlichen Schmuck
seiner Handschrift offen liess. Diese Räume
auszufullen, war Aufgabe des Zweiten, des
Malers, der gleich dem Schreiber in mittel-
alterlichen Zeiten dem geistlichen Stande an-
gehörte. Diese Malereien sind oft Werke von
höchster Meisterschaft, köstlich in der Erfin-
dung, der Zeichnung, der trotz kleinen Raumes
grossattigen Stilisierung, Prachtexemplare har-
 
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