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64

MITTEILUNGEN, ANREGUNGEN


A. Bosslet Taufstein
In Ramsen
malern des Landkreises Kassel“ 1909, auch sind im Atlas
zu diesem Werke reproduzierte photographische Auf-
nahmen enthalten und der frühere Konservator von Drach
bestimmte, dass die Fresken in ihrem aufgefundenen Zu-
stand erhalten blieben und nicht restauriert werden sollten.
Der Chor war durch die Turmwände rechtwinkelig be-
grenzt. Auf der linken Chorwand war St. Anna Selbdritt
dargestellt. Die Madonna stand mit der Krone geschmückt
im Brockatkleid mit wallendem blondem Haar und blau-
grünem Mantel und reichte das nackte Jesuskind der
hl. Anna. Diese war mit rotem Mantel, unter welchem
das dunkelviolette Kleid sichtbar war, und weissem Kopf-
tuch bekleidet. Rechts von dieser Gruppe kniete der
geistliche Stifter in weissem Chorkleid, links stand ein
dreiarmiger Leuchter mit brennenden Kerzen. An den
Leuchterarmen hingen zwei Wappenschilder. Der übrige un-
regelmässige untere Raum dieser Wand war durch Ranken
ausgefüllt, welche sich bis um das Fenster und in dessen
Leibung fortsetzten. In der gegenüberliegenden Wand
ist ein in der Mauer vertiefter Tabernakel angebracht.
Unter denselben waren bis hinauf zum Gewölbe Fialen
und Strebepfeiler mit Wasserspeiern gemalt, so dass das
ganze Bild ähnlich einer grossen gotischen Monstranz
oder eines Sakramentshäuschens sich um den Tabernakel
ausbreitete. Eine solche Umrahmung eines Tabernakels
ist einzigartig und kommt nach Knackfuss in Deutsch-
land nirgends wieder vor. Oben im mittleren Masswerk

stand Christus mit der Dornenkrone und den Leidens-
werkzeugen. Zu beiden Seiten steckten brennende Kerzen,
an jeder derselben war ein Wappenschild befestigt. Rechts
und links vom Tabernakel standen die Kirchenpatroninnen
St. Elisabeth und St. Agatha, unter diesen d'e Donatoren.
Die Nordwand über dem Triumphbogen enthielt auf der
Chorseite das jüngste Gericht. Auf dem Regenbogen
thronte der Weltenrichter, aus seinem Munde ragten Lilie
und Schwert. Zu seinen Seiten schwebten Posaunen
blasende Engel. Zu seinen Füssen sassen Maria und
Johannes. Unten links waren Engel mit den Seligen,
rechts Teufel mit den Verdammten gemalt — Diese her-
vorragenden Werke altgotischer Malerei sind in Schutt
und Staub zerfallen. Krämer.
MITTEILUNGEN, ANREGUNGEN
Über Albert Bosslot (Landau i. Pfalz) brachten wir
auf S. 12 eine Mitteilung und anschliessend veröffent-
lichten wir auf S. 23 und 24 Abbildungen seiner Kirche
in Ramsen. Kürzlich widmete ihm „Die christliche Kunst“
einen längeren reich illustrierten Aufsatz. Auch in vor-
liegender Nummer bieten wir einige Proben seinesSchaffens,
namentlich aus dem Grenzgebiet von Architektur und
Plastik. Der Künstlerarchitekt ist niemals nur Konstrukteur.
Auch bei reinen Architekturgebilden kann er des Empfindens
für plastische Werte nicht entbehren, ohne das insbe-
sondere ein wahrhaft monumentales Werk nicht entsteht.
In vielen Fällen muss ihn der Sinn für das Malerische
leiten, vor allem dann, wenn es gilt, ein Bauwerk mit
ausgesprochenen Landschaftsmotiven in Harmonie zu
bringen, wenn der Zweck des Gebäudes, etwa eines länd-
lichen Sommersitzes, malerische Motive nahelegt oder
wenn sich die neue Schöpfung gegebenen malerischen
Architekturformen einzufügen hat.
Begibt sich der Architekt auf das kunstgewerbliche
Gebiet, so muss er den Konstrukteur zugunsten plastischen
Gestaltens in den Flintergrund treten lassen, je nachdem
der Gegenstand näher der Architektur oder der Plastik
oder dem handwerklichen Zweckgedanken steht. Im
einzelnen gibt es kaum eine Regel, sondern der Künstler
ist einzig auf den künstlerischen Takt angewiesen. Er
muss sich den Bedingungen anpassen, die sich für sein
Werk aus der Bestimmung, der Umgebung und dem Her-
stellungsmaterial ergeben. Ein Taufstein verträgt mehr
architektonische Motive als ein Opferstock, ein Gegen-
stand aus Stein mehr als einer aus Metall, ein grösserer
mehr als ein kleiner, ein solcher, der ständig von einer
ausgeprägten Architektur umgeben ist, mehr als ein von
Ort zu Ort beweglicher. Auf S. 58 sehen wir ein Weih-
wasserbecken, das sich durch das Motiv der Säule gut
an den Pfeiler anschmiegt. Bei dem freistehenden Becken
ist die Schale entschieden herausgearbeitet, aber auch ihre
vier Träger kommen kräftig als solche zur Geltung. In
beiden Fällen tritt der Architekturtypus bescheiden zurück,
während er hingegen im Taufstein S. 64 den Ton angibt
und ganz richtig beim Opferstock S. 61 gar nicht mitspricht.

Redaktion: S. Staudhamer; Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, G. m. b. H.; Druck der Verlagsanstalt
vorm. G. J. Manz, Buch- und Kunstdruckerei; sämtlich in München.
 
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