WETTSTREIT DER MALEREI MIT DER BILDHAUEREI.
37
Fascikel 5.
Wettstreit der Malerei mit der Bildhauerei.
"END E.
35. Hier hebt es an von der Sculptur, und ob sie Nr. 36.
Wissenschaft ist oder nicht.
Die Bildhauerei ist keine Wissenschaft, sondern eine höchst
handwerksmässige Kunst, denn sie schafft dem, der sie betreibt,
Schweiss und körperliche Mühe. Auch hat ein solcher Künstler
genug an den einfachen Maassen der Glieder und an der Natur
der Bewegungen und Stellungen; und so ist sie zu Ende und
zeigt dem Auge was da ist, wie es ist, sie verursacht ihrem
Betrachter nicht die mindeste Verwunderung, wie die Malerei
thut, die auf einer ebenen Fläche kraft ihrer Wissenschaft
weitausgedehnte Gefilde mit fernen Horizonten zeigt.
36. Unterschied zwischen der Malerei und der Bild-- Nr. 37.
hauerei.
Zwischen der Malerei und der Bildhauerei finde ich keinen
anderen Unterschied, als den: der Bildhauer führt seine Werke
mit grösserer Körperanstrengung aus, als der Maler, und dieser
die seinigen mit grösserer Anstrengung des Geistes. Dass dem
so sei, ist erwiesen; denn bei der Arbeit an seinem Werk hat
der Bildhauer mit Armkraft und Hammerschlägen den Marmor,
oder sonstigen überflüssigen Stein zu nichte zu machen, der über
die Figur, die in ihm eingeschlossen ist, hervorragt; das ist ein
sehr mechanisches Geschäft und ist oft von grossem Schweiss
begleitet, der, mit Staub vermengt, zu Schlamm wird. Da hat
er das Gesicht ganz beschmiert und mit Marmorstaub ein-
gepudert, so dass er wie ein Bäcker ausschaut, und ist mit
kleinen Marmorsplittern über und über bedeckt, dass es aus-
sieht, als hätte es ihm auf den Buckel geschneit, und seine Be-
hausung, die ist voll Steinsplitter und Staub.
Ganz das Gegentheil von alle diesem ist beim Maler der
Fall, — wir sprechen hier nur von ausgezeichneten Malern so-
wohl als Bildhauern. Denn der Maler sitzt mit grosser Bequem-
lichkeit vor seinem Werk, wohl gekleidet, und regt den ganz
leichten Pinsel mit den anmuthigen Farben. Mit Kleidern ist
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Fascikel 5.
Wettstreit der Malerei mit der Bildhauerei.
"END E.
35. Hier hebt es an von der Sculptur, und ob sie Nr. 36.
Wissenschaft ist oder nicht.
Die Bildhauerei ist keine Wissenschaft, sondern eine höchst
handwerksmässige Kunst, denn sie schafft dem, der sie betreibt,
Schweiss und körperliche Mühe. Auch hat ein solcher Künstler
genug an den einfachen Maassen der Glieder und an der Natur
der Bewegungen und Stellungen; und so ist sie zu Ende und
zeigt dem Auge was da ist, wie es ist, sie verursacht ihrem
Betrachter nicht die mindeste Verwunderung, wie die Malerei
thut, die auf einer ebenen Fläche kraft ihrer Wissenschaft
weitausgedehnte Gefilde mit fernen Horizonten zeigt.
36. Unterschied zwischen der Malerei und der Bild-- Nr. 37.
hauerei.
Zwischen der Malerei und der Bildhauerei finde ich keinen
anderen Unterschied, als den: der Bildhauer führt seine Werke
mit grösserer Körperanstrengung aus, als der Maler, und dieser
die seinigen mit grösserer Anstrengung des Geistes. Dass dem
so sei, ist erwiesen; denn bei der Arbeit an seinem Werk hat
der Bildhauer mit Armkraft und Hammerschlägen den Marmor,
oder sonstigen überflüssigen Stein zu nichte zu machen, der über
die Figur, die in ihm eingeschlossen ist, hervorragt; das ist ein
sehr mechanisches Geschäft und ist oft von grossem Schweiss
begleitet, der, mit Staub vermengt, zu Schlamm wird. Da hat
er das Gesicht ganz beschmiert und mit Marmorstaub ein-
gepudert, so dass er wie ein Bäcker ausschaut, und ist mit
kleinen Marmorsplittern über und über bedeckt, dass es aus-
sieht, als hätte es ihm auf den Buckel geschneit, und seine Be-
hausung, die ist voll Steinsplitter und Staub.
Ganz das Gegentheil von alle diesem ist beim Maler der
Fall, — wir sprechen hier nur von ausgezeichneten Malern so-
wohl als Bildhauern. Denn der Maler sitzt mit grosser Bequem-
lichkeit vor seinem Werk, wohl gekleidet, und regt den ganz
leichten Pinsel mit den anmuthigen Farben. Mit Kleidern ist