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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 13.1907

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Heft 6
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Gischler, W.: Drei rheinländische Ausstellungen: (Mannheim, Düsseldorf, Köln)
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https://doi.org/10.11588/diglit.26231#0231

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Drei rbeinländsche Ausstellungrn.

bedenklichen Geruch ei'ner Zwecklosigkeit befreit werden.
In Köln konnte man sich - dnrch keine eingesessene
Künftlerschaft bedrängt - mit der persönlichen Einladung
das Gute suchen und das Schlimme oom Halse halten;
in Düsseldors war man aus die Gegenseitigkeit ein-
heimischer und auswärtiger Kunftverbände angewiesen,
und rettungslos allem Kitscb ausgesetzft den die Ver-
bände zu senden beliebten.

Und um hiervon zuerft zu sprechen: das ist den
Düsseldorsern von München, Berlin, Weimar und Wien
auö m ciner Weise geschehen, daß einem die Haare zu
Berge stehen. Wenn ich Düfteldorser Maler und ihret-
wegen nur mit einem Schokoladenplakat aus dieser
Ausftellung hinausjuriert worden iväre, also aus meinem
eigenen Haus, und sähe dann im Saal der Münchener
Kunstgenoftenschaft das erbärmlich gepinselte Zeug: ich
würde weiß Gott als ein moderner Michael Kohlhaas mein
Recht suchen. Etwas Traurigeres als Drganisation kann
man sich schwerlich denken. klnd wenn man in ein-
geweihten Kreisen in Düsseldors vorher hörre, man müfte
die zu ost resüsierten grollenden Künstler einmal los-
laften: so hat man dies nicht einmal getan, die Düftel-
dorser Säle haben durchauö eine gute Haltung, los-
gelaften ift nur die malende Meute in Berlin und
München.

So kann man der Leitung dieser Auöftellung den
Vorwurs nicht ersparen, daß sie das schwer zurück-
erworbene Anseben von Düfteldors bedenklich auss Spiel
gesetzt habe: der sremde Besucher wird entsetzt diese ge-
wiftenlos angesüllten Säle durchwandern und im Ge-
samrgesühl einer schlecht gemachten Ausftellung über-
sehen oder vergeften, daß die jungen Düsseldorfer selbft
sich ehrlich um Anerkennung bemühen. Ihre Säle sind
denen der Berliner Sezession, deö Karlsruher und des
Nordweftdeutschen Künstlerbundes zum mindeften gleich-
werrig: in Bretz, Clarenbach, Hardt und Liesegang usw.
bilden sich sür die niederrheinische Landschaft charakter-
volle Darfteller heraus, in Plückebaum und Ophey
entwickeln sich originelle Phantaften: nimmt man die
Bewährten dazu, von Gregor von Bochmann, der in
seiner „verlassenen Heerstraße" eins der besten Bilder
der ganzen Ausftellung brachte, bis zu Ritzenhoven: so
ergibt sich ein reicheres Bild als z. B. von München,
wo die „Scholle" nach der ersten Verblüffung bedenklich
abflaut mit ihren aus Leinwand unmäßig vergrößerten
Iugend-Titelblättern, und wo weder die Sezession noch
die Luitpoldgruppe an Charakter gewinnen.

Da bin ich nun doch sast wieder in die Besprechung
von Gruppen und Grüppchen geraten, an denen die
deursche Kunst und Kunstberichterstattung ebenso leidet,
wie diese Auöftellung daran gescheitert ift. Die Kölner
haben sich klugerweise davon srei gehalten: Sie haben
nicht allzuviel Bilder, gleich welcher Herkunft in reich-
lichen Abständen — daß keins das andere ftöre — neben-
einander ausgehängt, wie sie gerade paßten. Man kann

nicht sagen, daß dabei etwas Glänzendes herausgekommen
sei, aber auch nichts Geringes: ihr einziges Unglück ift,
daß die Mannheimer gleichzeitig mehr Geld, einen Dill und
ein Prinzip hatten: an dieser Konkurren; wird in diesem
Iabr wohl alles andere scheitern. In einem allerdings
sind sie den Düfteldorfern wie den Mannheimern dennoch
überlegen: in den ausgeftellten Wohnräumen, von denen
wohl noch besonders gesprocben werden muß.

Hier sühlt man sich aus einmal wieder mitten in
einer Bewegung, in der alles im Wachsen und Strömen
und also auch das Nebensächliche nicht überslüftig ist;
während einen beim Durcbwandern der bilderübersüllten
Säle das traurige Gesübl einer sinn- und lcidenschafts-
losen Überproduktion nicht verläßt: es sei denn, daß wie
in Mannheim das persönliche Arrangement so grund-
sätzlich ist, daß man zu den Grundsragen der Kunft
gesührt wird, in denen denn auch das Geringere wieder
begreislich wird. Man kann sich ja nicht verhehlen,
daß ein wenig viel Ausftellungen kommen und daß sie
in Gesahr sind, Beftandteile der Fremden-Induftrie (das
modernfte aller Wörter) zu werden. Für den Künstler
bedeuten sie in ihrer Vorsührung zum Aussälligen, Sen-
sationellen unbedingt eine Gesabr und eine Hinderung:
sür das Verhältnis des Volkes zur Kunft, sür die Ver-
wendung der Werke könnten sie gleichwohl wichtige An-
regungen geben, wie die Mannheimer Auöftellung über-
zeugend beweist.

Ausnehmen müßte man von solcher Betrachtung
von vornherein so intime Dinge wie die Aquarell-
ausstellung, die in Düfteldors angegliedert ift. Die
Technik schließt das Sensationelle ziemlich aus; sie hat
in ihrer konsequenten Ausbildung (d. h. wenn sie rein,
unvermischt durch Gouache, Paftell usw. geübt wird)
faft etwas von höchftem Kunftgewerbe; anderseits
bleibt sie dem Künftler näher und wird so immer
mehr den Künftler und Liebhaber eine Augenschau sein
als dem Publikum. So rettet man sich aus den ent-
setzlichen Münchener Sälen in Düfteldors gern in die
gerade hier anschließenden stillen Räume der Aquarelle.

Und noch eins sordert jedenfalls einen andern Stand-
punkt: die Sonderausftellungen eines Künstlers: in
Düsseldors z. B. Lenbach und der Zeichner Greiner, in Köln
Orlik, in Mannheim Stuck und Kbnopff. Es sind Dinge
sür sich in einer Ausftellung, mir denen man sich in
grundsätzlicher Stellung zu den betreffenden Künstlern
abfinden muß. Hierzu wären auch die dekorativen Bilder
von L. von Hosmann zu nennen, die in dem Saal der
Plaftiken zu Düffeldors so hoch ausgehängt sind, daß
sie als Gobelins sebr scbön und rubig wirken.

Hiermit wäre der Kreis dieser Ärbeit, der nur die
drei Äusftellungen als solche wägen, nicht den Einzel-
heiten nachgehen wollte, geschloffen. Nun hätte die
eigentliche Ärbeit dieser Zeitschrift zu beginnen, aus dem
Guten bier wie dort das Eigenartigste den Lesern nahe-
zubringen. W. Gischle r.

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