Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]: Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein (13.1907)

ernäbrte, da wecbseln Warenbauser mit viebbesetzten
Weiden so jäb, daß man erscbrickr: denn wo man
gräbt, da wirst die Erde ibre Scbätze ans. Hier iverden
die Kanoncn, die Brückeic uitd Mascbinen der balben
Welt gebaut; und aus dcn Höben des bergiscben Landes
bännnern die Feilenbauer und Säbelscbmiede seit altcr
Zeit; im Wuppertal särben und drcicken sie und wirken
Bänder und Litzen, und drüben in KreselH Rbcydt und
Gladbacb sitzen sie an Webstüblen, zu Hause und in
Fabriken, und macben Tucbe, Teppicbe und Seiden.
Hier isi die Werksiatt Deutscblands; mitten bindurcb
treibt der Strom sein breites Wasser, und wcnn die
Sclüepper nicbt daraus ivären, man würde die Welt
nicbt abnen, durcb dic der ebemals so ungebärdige Rbein
sein Alter gelassen und bescbeiden nacb Holland trägt.

Rheinische Nesier.

Denn von den Städten am Nicderrbein bat eigent-
licb nur Köln sicb durcbgcbalten; die andern sind wie
vergessene Scbildwacben cingescblascn und liegen heute

inmitten des modernen Lebens irgendwo ver-
sieckt nut eseuübcrdeckten Toren und halb-
zersallenen Türmen, unpraktiscb seitwärts vom
Verkebr und selbft vom Rhein treulos ver-
lasien. Der bat schon seit Iabrbunderten im
angeschwemmten weicben Sand sein Bett sicb
anderswo gegraben, so daß die Uferstädte
von vordem nun mitten in dcn Wiesen ver-
schollen sieben. Das altc Römerkasiell Bürgel
isi dabci gar vom linkcn User auss rechte
bingcraten.

Das isi nun märchcnhast zu scbcn, wie
aus den Weiden und Pappeln der Wicsen
die Riesenmauern der Burg und Stadtum-
wallung von Zons dcn Wanderer überraschen.
Am mäcbtigsien, wenn er von Süden kommt;
nicbt mit dem Scbiff, wie es die Kölner an
scbönen Nachmittagen Sonntags zu Tausen-
den machen, sondern von Monbeim mit der
Fäbre hinüber und eine Stunde am User
siets aus dem Danun vorbei, zuletzt quer
durcb die Wiesen daraus zu. Das ist zugleich
ein Weg am Niederrhein, der die verschwiegenen Reize
der Landscbast jedem offenbart; wenn man ibn ganz im
ersien Frübjabr macht: in den boben Pappeln scbimmern
die Zweige scbon rötlicb, so daß die breiten Riescn-
kronen ibr vielverscblungenes Asiwerk zarter als sonsi
mit scblanken Zweigen in dcn Dimmel malen. Darunter
siebn zu Tausenden die dicken Weidensiöcke mit ftarren
Ruten; und wenn die jagenden Wolken das Himmels-
licbt durcblassen, daß all dic Rutenbüschel aus den
scbivarzen Stümpfen magisch ausleucbten über den
Wiesen in grünrotcm Schein: dann ist die Scbönbeit
gewaltiger bicr als irgendwo da oben am romantischen
Rhein. Dder: die Wolken hüllten alles wieder ein in
siäblernen Glanz, da bebt sicb zwischen den Stümpsen
dicht überm Horizont im Westen ein silbernes Licht,
und unter ibm der sernste Blick m einem kalten Kupfer-
blau, der Däcberrücken eines Dorses, ein siumpser Turm
darin, nur einen Fingerbreit über den Grasspitzen: in
ciner breiten Fassung von Wolken, dürrem Gras und
Zweigen ein wundervoller sebr kleiner Edelftcin.

Recbts überm Rbein da bebt die Ebene
sicb mit scbweren Ackerseldern, von kleinen
Wäldern untersctzt, und bier zieht breiter,
meist aucb im Blau, docb siärker und wärmer
überleucbtet der lange Hügelkamm bergischer
Höben bin. Deutlicb erkennt man Solingen,
die Schwertsegersiadt, mir ibren Türmen und
Häusermasscn, das Gebirge krönend. Und
dieses blaue leucbtende Band am Horizont,
unterm weiten Wolkenbimmel der Ebene, dicht
über Scbollenbraun und Wiesengrün, manch-
mal verdeckt vom zarten gelbgrünen Pappel-
zweigwerk: das gibt dcr niederrbcinischen
Landscbast zwiscben Köln und Düsseldors noch
eine farbige Srärke, die sich binunter nach
Holland rasch verliert: da werden die Lüste
wieder weicb und scbummrig, stets licgt ein
Silberscbimmer matt darin, bicr abcr sind
sie siahlgrau und mctalliscb blank.

ZonS. D.'r Indrnturm. (Pdotograpbir.)

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