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Kunst zu Gute kommt, selbst wenn sie diese durch die Modeströmung zunächst etwas drückt,
vorausgesetzt allerdings, dass jene stark genug ist, sich trotz der fremden Mode zu behaupten.
Im Grossen und Ganzen denselben geschichtlichen Verlauf, wie ich ihn für die erste
Hälfte des 16. Jahrhunderts eingehender an der oberdeutschen Malerei skizzierte, weil diese
damals die bedeutendste diesseits der Alpen, wie ich ihn für die zweite Hälfte des 16. Jahr-
hunderts nur flüchtig durch das Beispiel der Kunst am Münchener Hofe andeutete, treffen
wir auch in den Niederlanden. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts können sich diese
an künstlerischer wie historischer Bedeutung mit .Oberdeutschland nicht messen, ich kann
mich daher hier kürzer fassen, glaube jedoch zeigen zu müssen, wie trotz des völlig ana-
logen Ganges sich hier doch durchgehends eine andere Individualität geltend macht. Die
Bewegung der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dagegen ist hier ausführlicher als in
Oberdeutschland zu behandeln, weil sie in den Niederlanden reicher und selbständiger verläuft
und gefördert durch die italienischen Einflüsse jene Probleme nordischer Kunst, die wir in
der Malerei der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts keimen sahen, entwickelt und dadurch
den Grund legt zu der durch die grossen Meister Antwerpens und Hollands im 17. Jahr-
hundert herbeigeführten. Blüthe der nordischen Malerei, die das Ziel erreicht, der neuen
Bildung und mit ihr der neuen künstlerischen Ideenwelt der Renaissance einen vollkommen
freien, entsprechenden und wirklich bedeutenden Ausdruck zu verleihen.
6. Quinten Nassys und Lucas van Leyden.
Durch seine Reise nach Italien (1505/7) weist Dürer auf das Land, dessen Kunst im
16. Jahrhundert massgebenden Einfluss auf die des Nordens gewinnen musste, auf seiner
niederländischen Reise in den Jahren 1520 und 1521 besucht er jenes Land, dem die Führung
in der Malerei diesseits der Alpen im weiteren 16. und im 17. Jahrhundert zufiel. Durch
die Entwicklung des 16. Jahrhunderts und abschliessend mit Rubens gewannen die Nieder-
länder den grossen Stil, nach dem Dürer strebte, und der Phantasiereichthum germanischer
Kunst und die durch Dürer so wesentlich geförderte Kunst fürs Haus erreichten hier eine
grosse, neue Blüthe, die so manches, was bei Dürer leise keimt, zu voller Reife bringt.
Nach Dürer's eigenen Aufzeichnungen in seinem Tagebuch fesselte ihn ganz besonders
Antwerpen. Er kommt bei den Notizen über seine Erlebnisse daselbst wiederholt von den
einfach geschäftlichen Bemerkungen, die sonst das Buch füllen, zu breiteren Schilderungen,
wie bei der prächtigen Wohnung des Bürgermeisters, bei der reichen Ausstattung der
Frauenkirche und der Michaelsabtei, bei der grossen Prozession an Mariä Himmelfahrt, bei
den Zurüstungen zum Einzug Karl V. und vor allem bei dem Feste, durch das ihn die
Maler auf ihrer Zunftstube feierten. Die glänzende Stellung Antwerpens nach dem Rück-
gang von Brügge und Gent wird uns dadurch lebhaft ins Gedächtniss gerufen und wir
werden an das anregende Leben in der blühenden Stadt erinnert, durch den regen Verkehr,
den Dürer daselbst mit den mannigfaltigsten Leuten hatte, da er hier Erasmus von Rotter-
dam kennen lernt, sowie Quinten Massys und Lucas van Leyden. Quinten Massys aber
weist auf die führende Rolle Antwerpens in der Geschichte der niederländischen Malerei
des 16. Jahrhunderts hin und Lucas van Leyden ruft uns ins Gedächtniss, dass damals auch
die Holländer die wesentlichsten Anregungen für ihre Malerei in Antwerpen empfingen.
 
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