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1. Albrecht Dürer.
Albrecht Dürer, am 21. Mai 1471 zu Nürnberg geboren, am 6. April 1528 daselbst
gestorben, gehört mit der ersten Hälfte seines Lebens dem 15. Jahrhundert an, dessen Kunst
in Deutschland noch mittelalterlichen Charakter trägt, mit der zweiten Hälfte dem 16. Jahr-
hundert „der Renaissance"; Dürer's bedeutendste That aber ist, dass er, ausgehend von der
mittelalterlichen Kunst, die deutsche Malerei einführt in die Renaissance, dass er und durch
ihn der deutsche Maler sich emporringt vom tüchtigen Handwerker des Mittelalters zum
gebildeten, geistvollen Künstler der neuen Zeit.
Dürer schliesst die mittelalterliche Malerei ab, indem er in seinen religiösen Bildern
im wesentlichen dieselben Gegenstände behandelt wie seine Vorgänger, aber in neuer Form,
in tieferer Auffassung. Die veränderte Form und Auffassung begründen aber zugleich eine
neue Kunst und Dürer thut dies ferner auch dadurch, dass er, angeregt durch das reiche
deutsche Geistesleben seiner Zeit und auch durch das Studium der italienischen Kunst, die
Malerei zu neuen Gedanken und Problemen führt, die bei ihm im Keime, dann heranreifen
durch die Arbeit des 16. Jahrhunderts, zur vollen Frucht zeitigen in der niederländischen
Malerei des 17. Jahrhunderts.
Gleich gross ist daher die rein künstlerische, wie die historische Bedeutung Dürer's.
Er schuf Werke, die wie viele seiner religiösen Zeichnungen und Gemälde, seiner Portraits
und Oharakterßguren durch die Macht ihres Gedankens, durch die Tiefe ihres Gemüthes
trotz und vielleicht gerade durch ihre schlichte Sprache unmittelbar und ergreifend auf alle
Zeiten wirken, die wir desshalb den grössten Kunstwerken aller Zeiten an die Seite stellen;
er bringt aber auch neue Gedanken und unlösbar damit verbunden neue formale Bestre-
bungen, die eine weite Perspektive eröffnen, deren volle Lösung erst das folgende Jahr-
hundert erreicht.
Nürnberg besass im Ausgang des 15. Jahrhunderts, als Dürer daselbst heranwuchs,
bedeutende Kunstwerke älterer Zeit, besonders aus dem 14. Jahrhundert und es erfreute
sich, was vor allem wichtig, auf den verschiedensten Gebieten auch eines reichen gegen-
wärtigen Kunstlebens. Das war für Dürer von grundlegender Bedeutung, er wurzelt in der
spätmittelalterlichen, deutschen Kunst und seine Art bleibt streng deutsch bis zu seinen
letzten Werken. Mit Recht verehren wir daher in ihm gerade den nationalen Meister,
zumal er es ja auch zuerst vermag deutsche Eigenart in ihrer vollen Bedeutung in der
Malerei zur Geltung zu bringen und sie dadurch gleichberechtigt neben die italienische
Kunst stellte.
Dies Ziel konnte Dürer aber nicht dadurch erreichen, dass er ruhig auf alten Bahnen
weiter ging, sondern nur dadurch, dass ^er die Schwächen der vielfach noch so sehr befangenen
deutschen Kunst erkannte und überwand.
Die ungenügende Kenntniss der Form, vor allem des menschlichen Körpers, muss
Dürer schon sehr früh als Hauptmangel der deutschen Malerei erkannt haben und daher
strebt er vor allem hier eine neue Grundlage zu schaffen, hievon zeugen seine theoretischen
Schriften, noch bedeutender aber seine Studien und es ist für den künstlerischen Charakter
wie für die historische Stellung Dürer's höchst bezeichnend, dass seine Studien zumal die
 
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