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indischer und italienischer Kunst herstellten, sondern er lag, was mindestens ebenso hoch
anzuschlagen ist, auch darin, dass die Wanderer Kunst, Land und Volk anderen Charakters
kennen lernten und dadurch der Blick geweckt wurde, für die Eigenart der Heimat, für die
speziellen Reize, die malerische Eigenart ihrer Landschaft und ihres Volkslebens.
Das Fremde lockt naturgemäss zuerst die Eigenart der Dinge zu beobachten, sie fällt
hier, weil von Gewohnheiten verschieden, seihst bei flüchtigem Betrachten auf. So stellt
der vielgereiste Pieter Ooecke van Aalst in Holzschnitten die Sitten der Türken dar,
sein Schüler Pieter Brueghel der Aeltere studierte, als er aus Italien nach Antwerpen
zurückgekehrt war, jene der niederländischen Bauern.
Dieses künstlerische Volksstudium ist aber auch an sich bezeichnend für die veränderte
Anschauung von den Wegen und Zielen der Kunst. Denn wenn Brueghel, wie van Mander
erzählt,*) mit seinem Freunde HansFrankert die Volksfeste besuchte, ja sogar auf denselben
in bäuerischer Kleidung erschien, um die Leute ja recht ungeniert und eingehend studieren
zu können, so sehen wir daraus, dass Pieter Brueghel, was auch seine Werke belegen, die
Darstellung des Volkes und seiner Sitte als selbständiges künstlerisches Problem erscheint,
für das er die sorgfältigsten Studien macht, sich nicht mehr mit gelegentlichem, flüchtigem
Beobachten begnügt.
Das Zusammenwirken holländischer und südniederländischer Künstler in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts in Antwerpen war für das Sittenbild wichtig. Quinten Massys
der Antwerpener, Lucas van Leyden der Holländer, Pieter Aertsen aus Amsterdam arbeiteten
neben einander in Antwerpen, auf dessen Kunst auch Hieronymus Bosch aus Herzogen-
busch wirkte, und ergänzen sich gegenseitig in ihrer Anregung für das Sittenbild. Ein
bedeutender, ausgesprochener Vertreter dieser Gattung ist dann der etwa 1525 zu Bruegel
an der Dommel geborene Pieter Brueghel, der in Antwerpen und Brüssel thätig war und
an letzterem Ort 1569 starb, an ihn knüpft auch die weitere Entwicklung des Sittenbildes
an, wofür ich nur an seinen Sohn Jan den bekannten Sammetbrueghel und an dessen
Schwiegersohn David Teniers zu erinnern brauche.
Jan Brueghel war, als sein Vater starb, nur ein Jahr alt und Teniers erst vierzehn
Jahre, als Jan Brueghel der Vater seiner späteren Gattin zu Grabe getragen wurde; aber
sie sind doch die direkten Fortsetzer der Kunst des alten Pieter. Trotz dieses für ihr
Schaffen so wesentlichen Zusammenhanges finden sich aber zwischen den drei Künstlern sehr
erhebliche Gegensätze, die einestheils durch die verschiedenartigen Persönlichkeiten begründet
werden, nicht minder aber dadurch, dass wir in ihnen die Vertreter dreier verschiedener
Generationen vor uns haben.
Der alte Pieter Brueghel, den man wegen seiner Genrebilder sehr charakteristisch
den Bauernbrueghel nennt, war nach den Portraits, wie nach dem trefflichen Lebensbild,
das van Mander von ihm giebt, und nach seiner Kunst eine durchweg originelle, kraftvolle
Natur, er ging seine eigenen Wege und vor allem führten ihn wohl seine frische Art und
sein prächtiger Humor in die freie Natur und zu den Bauern und dadurch zum Landschafts-
und Genremaler. Häufig verbindet er noch Genre und Landschaft mit der Historie nach

b Carel v. Mander: Le Livre des peintres. par H. Hymans. Paris 1884. tom. I. p. 300. — B. Riehl:
Geschichte des Sittenbildes in der deutschen Kunst bis zum Tode P. Brueghel des Aelteren. Berlin und
Stuttgart 1884. S. 124 ih
 
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