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der Münchener Schule der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts näher ausführten,*) in Folge
der Eigenart des kirchlichen Lebens dieser Zeit eine eindrucksvolle, grossartige und glänzende
Kunst wollte und damit den künstlerischen Strömungen, wie sie auch die Architektur jener
Periode zeigt, ausserordentlich entgegenkam, ja sie mächtig fördern musste.
Ein kolossales Altarblatt, jetzt immer häufiger auf Leinwand gemalt, tritt an die Stelle
des fein durchgeführten, oft so zart und innig empfundenen Flügelaltares mit seinen Bildern
auf Holz von meist bescheidenen Verhältnissen. Die feine, innige und tiefe Kunst musste
zurücktreten hinter der wirkungsvollen, glänzenderen, welche die ganze Kirche als einheit-
liches Kunstwerk erstrebt, in der desshalb das Gemälde eine immer mehr dekorative Rolle
erhält, wofür ja vor allem Rubens' Deckenbilder, die einst die Antwerpener Jesuitenkirche
schmückten, charakteristisch sind, nicht minder aber seine grossen Altarblätter für die
Neuburger Jesuitenkirche, die sich jetzt in der Münchener Pinakothek befinden.
Diese Verhältnisse begründen es, dass diese kirchliche Kunst unmöglich, was man so
oft sie gänzlich verkennend von ihr forderte, die Vorzüge kirchlicher Malerei des 15. Jahr-
hunderts aufrecht erhalten konnte, ein Kompromiss war undenkbar, ein voller Bruch, der
sich freilich erst allmählich vollzog, war unausbleiblich. Indem man einen engeren Anschluss
der Maler des 16. Jahrhunderts an jene des 15. forderte, übersah man auch, wie deutlich
die Spätmeister des 15. Jahrhunderts zeigen, dass sich diese Kunst ausgelebt, dass sie schon
desshalb nicht die ausschliessliche Grundlage der neuen Kunst bilden konntet)
Neben der Kirche gewann, wie wir gleichfalls auch in Deutschland bei der Münchener
Malerei sahen,die Kunst des Palastes wesentlich an Bedeutung für die Malerei grossen
Stiles und mit ihr hängen die Gemäldegalerien zusammen, die in der Kunstgeschichte des
17. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle zu spielen beginnen.
In den Niederlanden bot dann aber auch das wohlhabende Bürgerhaus der Kunst
eine wichtige Pflegstätte, wofür schon Brueghel und verwandte Künstler charakteristisch
sind, die wir uns ohne eine solche Theilnahme der Bürgerschaft am künstlerischen Leben
nicht denken können. Gleichwohl ist die Bedeutung des bürgerlichen Hauses für die Kunst
in den südlichen Niederlanden nur eine sekundäre, der Schwerpunkt liegt hier in der Kunst
für Kirche und Schloss; anders in den protestantischen Gegenden Hollands, wo vor allem
die Kunst des Hauses bestimmend wirkt im Gemälde wie in der Radierung.
Für die Malerei der Kirche und des Palastes den Schwerpunkt der Entwicklung der
südlichen Niederlande speziell der Antwerpener Schule, die nach einem grossen, koloristischen
Stil streben mussten, waren wie für Kirche und Palast selbst vielfach die Anregungen

1) Siehe oben S. 180 F.
2) Gegenüber der allgemeinen üblichen Anschauung, die in der niederländischen Malerei des 16.
zumal der 2. Hälfte desselben nur eine sogenannte Periode des Verfalls sieht, gebührt Hermann Riegel
das Verdienst zuerst eine historische Würdigung dieser Periode versucht und auf ihre Bedeutung für den
Uebergang von der älteren niederländischen Kunst zu der des Rubens hingewiesen zu haben, in seinem
Aufsatz der geschichtliche Gang der niederländischen Malerei im 16. Jahrhundert im 1. Band der Ab-
handlungen und Forschungen zur niederländischen Kunstgeschichte. Berlin 1882. —- Mannigfach Beachtens-
werthes für diese Periode bringt auch Woermann in Woltmann-Woermann: Geschichte der Malerei.
Band II. 8. 508 u. F. und Band III. 8. 57 u. ff.
3) Siehe oben S. 182 F.
 
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