DAS SCHLOSS SCHAUENBURG.
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In hohem Alter wohnte Uta, die Herzogin von Schauenburg, in dem Dorfe Sindel-
fingen, welches in jener Zeit ein Eigenthum ihres Stammhauses, der mächtigen
Grafen von Calw war. Fromme Hebungen söhnten sie mit vielfachem Kummer aus:
denn frühe schon war ihr erster Gemahl, der Graf Berthold von Eberstein, gestorben,
und jetzt zum zweitenmal Wittwe, des Grafen Wolf (Welfo des Sechsten) von
Altdorf und Herzogs von Spoleto, lebte sie still und einsam auf ihrem Erbgute. Auch
Gerungus, den sie dem zweiten Gemahl geboren, hatte sich von ihr getrennt, und
war, vermuthlich von dem frommen Sinne der Mutter getrieben, in den Orden
der Prämonstratenser getreten. Die Herzogin war nun von dem Irdischen abge-
schieden , und gedachte nur noch des himmlischen Reiches, wie es gefördert
möchte werden unter den Menschen. Zu diesem Zwecke beschlofs sie mit einem
Theile ihres Gutes ein Kloster zu stiften auf den Höhen des Schwarzwaldes, damit
auch da noch, wo die rauhe Wildnifs den Menschen keinen Genufs mehr gewährt,
von frommen Mönchen der Dienst des Allmächtigen gefeiert würde. Die Stelle
aber, auf welcher das Kloster erbaut werden sollte, überliefs sie der Vorsehung zu
bestimmen. Ein Maulthier wurde nämlich mit Geld beladen und in die Berge
geführt; wo es stehen bliebe und sich seiner Bürde entladen würde, da wollte man
das Gotteshaus erbauen.
Hoch über Oberkirch stand das Thier dürstend stille, und eröffnete mit dem
Schlage seines Hufes eine Quelle, die noch jetzt der Eselsbrunnen genannt wird,
und mit einem Steine eingefafst ist, welcher durch Bild und Inschrift an die Be-
gebenheit erinnert. Dann aber schritt es noch eine halbe Stunde weiter den hohen
Bergkegel hinauf; dort hielt es, und warf erschöpft die Last auf die Erde. Den Be-
gleitern schien es indessen unmöglich auf dieser Höhe den Bau zu beginnen; sie
stiegen in das unten liegende Thal zurück und wählten hier den Ort zum Bau des
Klosters Allerheiligen. Auf der Höhe wurde jedoch eine, der heiligen Ursula ge-
weihte Kapelle gegründet, weil das Maulthier an dem Tage dieser Märtyrin den Berg
erstiegen hatte. Zwei Jahre nachher richteten sich die Mönche in dem Kloster ein,
und Gerungus, der Sohn der Stifterin, war der erste Probst desselben, 1198. Er
stand neunzehn Jahre der frommen Gemeinde vor, und starb 1217.
Mit ihm endete das alte Haus, das von der Schauenburg die herzogliche Würde
getragen hat. Wann aber diese Würde an die Herren der Burg verliehen worden,
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In hohem Alter wohnte Uta, die Herzogin von Schauenburg, in dem Dorfe Sindel-
fingen, welches in jener Zeit ein Eigenthum ihres Stammhauses, der mächtigen
Grafen von Calw war. Fromme Hebungen söhnten sie mit vielfachem Kummer aus:
denn frühe schon war ihr erster Gemahl, der Graf Berthold von Eberstein, gestorben,
und jetzt zum zweitenmal Wittwe, des Grafen Wolf (Welfo des Sechsten) von
Altdorf und Herzogs von Spoleto, lebte sie still und einsam auf ihrem Erbgute. Auch
Gerungus, den sie dem zweiten Gemahl geboren, hatte sich von ihr getrennt, und
war, vermuthlich von dem frommen Sinne der Mutter getrieben, in den Orden
der Prämonstratenser getreten. Die Herzogin war nun von dem Irdischen abge-
schieden , und gedachte nur noch des himmlischen Reiches, wie es gefördert
möchte werden unter den Menschen. Zu diesem Zwecke beschlofs sie mit einem
Theile ihres Gutes ein Kloster zu stiften auf den Höhen des Schwarzwaldes, damit
auch da noch, wo die rauhe Wildnifs den Menschen keinen Genufs mehr gewährt,
von frommen Mönchen der Dienst des Allmächtigen gefeiert würde. Die Stelle
aber, auf welcher das Kloster erbaut werden sollte, überliefs sie der Vorsehung zu
bestimmen. Ein Maulthier wurde nämlich mit Geld beladen und in die Berge
geführt; wo es stehen bliebe und sich seiner Bürde entladen würde, da wollte man
das Gotteshaus erbauen.
Hoch über Oberkirch stand das Thier dürstend stille, und eröffnete mit dem
Schlage seines Hufes eine Quelle, die noch jetzt der Eselsbrunnen genannt wird,
und mit einem Steine eingefafst ist, welcher durch Bild und Inschrift an die Be-
gebenheit erinnert. Dann aber schritt es noch eine halbe Stunde weiter den hohen
Bergkegel hinauf; dort hielt es, und warf erschöpft die Last auf die Erde. Den Be-
gleitern schien es indessen unmöglich auf dieser Höhe den Bau zu beginnen; sie
stiegen in das unten liegende Thal zurück und wählten hier den Ort zum Bau des
Klosters Allerheiligen. Auf der Höhe wurde jedoch eine, der heiligen Ursula ge-
weihte Kapelle gegründet, weil das Maulthier an dem Tage dieser Märtyrin den Berg
erstiegen hatte. Zwei Jahre nachher richteten sich die Mönche in dem Kloster ein,
und Gerungus, der Sohn der Stifterin, war der erste Probst desselben, 1198. Er
stand neunzehn Jahre der frommen Gemeinde vor, und starb 1217.
Mit ihm endete das alte Haus, das von der Schauenburg die herzogliche Würde
getragen hat. Wann aber diese Würde an die Herren der Burg verliehen worden,
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