hohen Mauern herab, es säuseln die bewegten Sträucher in den leeren Fenster-
höhlen, auf den hohen Zinnen 5 falbes Mondlicht bildet geisterähnliche Schatten.
Es steigt die Vorwelt aus den Trümmern. In dem alterthümlichen Harnische mit
dem reichgeschmückten Panzerrocke erscheint kniend der ernste Markgraf Chris-
toph; zu seinen Füfsen liegt hinter dem Wappenschilde der hohe Helm, nach ihm
gleichfalls knieend seine neun Söhne; Jakob, der Erzbischof von Trier, den
goldenen Hirtenstab tragend; die Domherren Karl, Christoph und Rudolph; der
kräftige Philipp; und im weitern Hintergründe die Brüder Bernhard, Wolfgang,
Johann, Ernst und Georg; gegen ihnen über die Mutter Ottilia, in dem festlichen
Gewände; vor ihr die fromme Maria, die Aebtissin von Lichtenthal und die Schwester
Ottilia, die in dem Kloster zu Pforzheim endete; und in der ersten Reihe Sibylla,
die Gemahlin Philipps des Grafen von Hanau, Rosina die Gräfin von Zollern , und
die bescheidene Beatrix, welche Johann der Pfalzgraf heimgeführt hat. Zwischen
diesem glänzenden Fürstenstamme hält die reine Mutter den göttlichen Knaben auf
dem Schoofse, der Anbetung des frommen Geschlechtes entgegen. Rings umher
füllt den Raum die lange Reihe der Markgrafen, ehrfurchtsvoll auf den grofsen
Ahnherrn hinschauend : von Geschlecht zu Geschlecht hat sich die Macht des
Hauses gemehrt, bis es zuletzt an Würde und Alter den königlichen Herrschern
in dem deutschen Volke gleich geworden.
Der Mond birgt sich hinter Wolken, in der dunkeln Nacht zerfliefsen die Gebilde
der aufgeregten Phantasie, der kühle feuchte Luftstrom erweckt die Sinne, und wir
eilen aus den unheimlichen, uns doch so befreundeten Trümmern hinaus in den
Forst. Noch einmal eröffnet sich die Burg in dem unterirdischen Gange, den der
Waldpfad unterbrochen hat, und der, auf der Hohe getheilt, in den alten Thurm
und in die Burg selbst geführt. Rasch steigen wir jetzt hinab von dem Schauer
gedrängt, bis uns in den Gärten des neuern Schlosses wieder gesellige Menschen
aufnehmen und in die Gegenwart führen.
Dieses Herrscherhaus ward, vermuthlich auf alten Trümmern, von Jakob dem
Ersten begonnen und von Christoph dem Ersten vollendet (1479)- Herrlicher
erneute es hundert Jahre später Philipp der Zweite. Nach der Verwüstung der Heere
Ludwigs des Vierzehnten (1688) wurde das dritte, wie es gegenwärtig steht, erbaut.
Nur die schönen Gartenanlagen sind seitdem erweitert und gastlich dem Fremden
aufgeschlossen worden. Wer aber hat die tiefen Gänge unter dem Hause gewölbt,
und den labyrin tischen Irrgang zur Rettung in unabwendbarer Gefahr gezogen? Der
künstliche Baumeister der, den Verfolger täuschend, mit beweglichen Steinmassen
12
höhlen, auf den hohen Zinnen 5 falbes Mondlicht bildet geisterähnliche Schatten.
Es steigt die Vorwelt aus den Trümmern. In dem alterthümlichen Harnische mit
dem reichgeschmückten Panzerrocke erscheint kniend der ernste Markgraf Chris-
toph; zu seinen Füfsen liegt hinter dem Wappenschilde der hohe Helm, nach ihm
gleichfalls knieend seine neun Söhne; Jakob, der Erzbischof von Trier, den
goldenen Hirtenstab tragend; die Domherren Karl, Christoph und Rudolph; der
kräftige Philipp; und im weitern Hintergründe die Brüder Bernhard, Wolfgang,
Johann, Ernst und Georg; gegen ihnen über die Mutter Ottilia, in dem festlichen
Gewände; vor ihr die fromme Maria, die Aebtissin von Lichtenthal und die Schwester
Ottilia, die in dem Kloster zu Pforzheim endete; und in der ersten Reihe Sibylla,
die Gemahlin Philipps des Grafen von Hanau, Rosina die Gräfin von Zollern , und
die bescheidene Beatrix, welche Johann der Pfalzgraf heimgeführt hat. Zwischen
diesem glänzenden Fürstenstamme hält die reine Mutter den göttlichen Knaben auf
dem Schoofse, der Anbetung des frommen Geschlechtes entgegen. Rings umher
füllt den Raum die lange Reihe der Markgrafen, ehrfurchtsvoll auf den grofsen
Ahnherrn hinschauend : von Geschlecht zu Geschlecht hat sich die Macht des
Hauses gemehrt, bis es zuletzt an Würde und Alter den königlichen Herrschern
in dem deutschen Volke gleich geworden.
Der Mond birgt sich hinter Wolken, in der dunkeln Nacht zerfliefsen die Gebilde
der aufgeregten Phantasie, der kühle feuchte Luftstrom erweckt die Sinne, und wir
eilen aus den unheimlichen, uns doch so befreundeten Trümmern hinaus in den
Forst. Noch einmal eröffnet sich die Burg in dem unterirdischen Gange, den der
Waldpfad unterbrochen hat, und der, auf der Hohe getheilt, in den alten Thurm
und in die Burg selbst geführt. Rasch steigen wir jetzt hinab von dem Schauer
gedrängt, bis uns in den Gärten des neuern Schlosses wieder gesellige Menschen
aufnehmen und in die Gegenwart führen.
Dieses Herrscherhaus ward, vermuthlich auf alten Trümmern, von Jakob dem
Ersten begonnen und von Christoph dem Ersten vollendet (1479)- Herrlicher
erneute es hundert Jahre später Philipp der Zweite. Nach der Verwüstung der Heere
Ludwigs des Vierzehnten (1688) wurde das dritte, wie es gegenwärtig steht, erbaut.
Nur die schönen Gartenanlagen sind seitdem erweitert und gastlich dem Fremden
aufgeschlossen worden. Wer aber hat die tiefen Gänge unter dem Hause gewölbt,
und den labyrin tischen Irrgang zur Rettung in unabwendbarer Gefahr gezogen? Der
künstliche Baumeister der, den Verfolger täuschend, mit beweglichen Steinmassen
12