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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0080
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76

Die Befunde

3. DIE BAUBEFUNDE
Stephanie Valtin

3.1. Bemerkungen zu den Bautechniken
Das Baumaterial
Aufgrund der geologischen Gegebenheiten bestehen die Mauern
in dem von uns untersuchten Areal beinahe ausschließlich aus
lokalem Kalkstein308. Die Nutzung eines vor Ort anstehenden
Kalksteins als Hauptbaumaterial lässt sich auch in zahlreichen
anderen antiken Siedlungen Nordafrikas nachweisen, genannt
sei hier lediglich Karthago als das bekannteste Beispiel, für das
diese Thematik sehr gut untersucht ist309. Neben seinem reichen
Vorkommen zeichnet den Kalkstein insbesondere seine leichte
Zugänglichkeit aus, denn bedingt durch die Gebirgsbildung des
Atlas bestehen im heutigen Tunesien fast ohne Ausnahme alle
topographischen Höhenpunkte aus Kalk- oder Sandstein. Der
Großteil des zum Bauen verwendeten Steinmaterials konnte
deshalb einfach von den Oberflächen der Berge, Hügel und Ge-
ländesporne gewonnen werden. Wo es möglich war, wurde der
Kalkstein in unmittelbarer Siedlungsnähe abgebaut oder aber
man integrierte Teile von Bauten in den anstehenden Fels, wenn
die Ortschaften selbst auf Kalksteinmassiven lagen.
Thugga bildet keine Ausnahme von diesen Praktiken,
schließlich wurden hier beide Varianten genutzt: So gibt es auf
dem eigentlichen Siedlungshügel eine Reihe von Gebäuden,
die zum großen Teil aus dem anstehenden Kalkstein herausge-
arbeitet wurden, wie etwa einige der Wohnhäuser im Umfeld
der sog. Ticinier-Thermen310. Diese Möglichkeit ließ die Tage
unseres Untersuchungsgebietes am Fuße des Stadtberges nicht
zu, dennoch dominiert auch hier Kalkstein als Baumaterial. Da
sich in Sichtweite des Stadtgebietes von Thugga einige Kalk-
steinerhebungen befinden, die teilweise noch deutliche Spuren
des antiken Steinabbaus tragen, darf man davon ausgehen, dass
ein Großteil des Baumaterials im unmittelbaren Siedlungsum-
feld gebrochen wurde3".
Der in unserem Grabungsareal verwendete Kalkstein lässt sich
in zwei Arten unterteilen: Zum einen handelt es sich um ei-
nen weiß-hellgrauen, porösen Kalkstein mit stark abgerunde-
ten Kanten (Taf. 21, 2). Er wurde zumeist in großen Blöcken,
wie etwa in der Größe von 100 x 40 x 30 cm, verbaut und
fand fast ausschließlich bei den Bauten aus vorrömischer Zeit
Verwendung (Taf. 42). Es handelt sich dabei um die Befunde
308 Einen guten Einblick in die geologischen Verhältnisse Tunesiens bieten
Bartenstein 1908, passim; Mensching 1968, passim; Strelocke 1970, passim
sowie Brechtei — Rohmer 1980, passim.
309 s. hierzu etwa die Arbeiten von Bullard 1978; Claridge 1984 und Hurst
- Gibson 1994; zu den Brüchen in El Haouaria s. Rakob 1984, 15—22. Aber
auch für andere Orte liegen mittlerweile Untersuchungen vor, so etwa für Lep-
timinus, s. Dodge 1992, 157.
310 Einen grundlegenden Überblick über das Stadtbild und die Bauten
Thuggas liefern Poinssot 1983, passim und Khanoussi 1998, passim.
311 Im Rahmen dieses Projektes bestand leider keine Möglichkeit, eine de-
taillierte geologische Analyse der Gesteinsproben aus dem Grabungsareal und
den umliegenden antiken Steinbrüchen vorzunehmen.

83, 127, 131, 148, 149, 214 und 238"’. Später datiert wer-
den lediglich Teile der in flavisch-trajanischer Zeit errichteten
Mauer 8 (= 184) und der Mauer 31, deren Erbauungszeit nur
durch einen terminus ante quem vor die Mitte des 3. Jh. n. Chr.
bestimmt werden kann. Bei Mauer 8 handelt es sich um die
Nordbegrenzung des umgestalteten Hofareals, der ersten gro-
ßen Baumaßnahme in unserem Untersuchungsgebiet seit Be-
ginn der römischen Herrschaft in Thugga. Im Zuge dieser Um-
gestaltung wurden Teile der alten Hofmauern abgerissen, deren
Steinmaterial man freilich für die neu zu errichtenden Mauern
hätte nutzen können.
Allerdings ist bei dem betreffenden Teil (184) von Mauer 8
bislang noch unklar, ob es sich dabei um einen Teil ihres Fun-
damentes oder nicht vielmehr um das Fragment einer älteren
Baumaßnahme handelt, auf der die neu errichtete Mauer zum
Teil gründet313; nimmt man alle Indizien zusammen, ist es je-
doch wahrscheinlicher, dass 184 keine ältere Gebäudemauer,
sondern wohl das Fundament von Mauer 8 ist. Der Rückgriff
auf altes Material scheint auch bei Mauer 31 am plausibelsten,
obwohl diese bislang nur auf einem kurzen Abschnitt freigelegt
werden konnte, weshalb beim aktuellen Kenntnisstand noch
viele Detailfragen ungeklärt bleiben müssen. Zudem ist es
nicht unwahrscheinlich, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt
die Brüche des porösen Kalksteins erschöpft waren und er
deshalb bei späteren, römerzeitlichen Bauten nicht mehr zum
Einsatz kam oder doch zumindest nur in wiederverwendeter
Form. Denn bis auf die beiden genannten Ausnahmen werden
alle anderen Mauern aus diesem Kalkstein in vorrömische Zeit
datiert, womit dieser Kalksteinvariante - zumindest in unse-
rem Untersuchungsgebiet - eine chronologische Relevanz zu-
zuschreiben ist.
Eine ganz ähnliche Situation, also die Datierung von Bauten
aus porösem Kalkstein in vorrömische Zeit, ergab sich auch bei
der Vorgängergrabung der Universität Freiburg an der nord-
westlichen Stadtmauer. Hier fand sich diese Kalksteinvariante
in Turm A, dem eine numidische Zeitstellung zugewiesen wer-
den kann314. Dieser Befund bestärkt die These einer chrono-
logischen Relevanz dieser Kalksteinart zumindest für Thugga,
auch wenn die Bestätigung dieser Annahme weiterer Untersu-
chungen bedarf.
Die andere Art von Kalkstein ist eine graue, scharfkantige Vari-
ante (Taf. 23, 2), die sich in Bauten aller Zeitstellungen findet
und damit der weiten Verbreitung und dem leicht zugänglichen
Vorkommen dieser Art von Kalkstein entspricht, die sich noch
heute häufig als anstehendes Material in der Umgebung Thug-
312 Hierzu ist wahrscheinlich auch Bef. 74 zu zählen, der wohl numiderzeit-
lich zu datieren ist; stratigraphisch lässt sich jedoch nur seine Errichtung vor
dem flavischen Gebäude belegen.
313 Bedingt durch den Steg zwischen den beiden Grabungsschnitten ist ein
Großteil des betreffenden Mauerabschnittes noch nicht ergraben. Für eine äl-
tere Mauer sprechen die Verwendung des porösen Kalksteins und die Tatsache,
dass sich dieser Unterbau nach Osten hin nicht unter der gesamten Mauer 8
befindet.
314 Die beiden Türme A und B sind numidische Strukturen, die antik über-
baut wurden und bei denen bislang noch unklar ist, ob es sich dabei um Teile
einer Stadtmauer oder singuläre Bauten (etwa Grabtürme) handelt. Die Publi-
kation der Ergebnisse dieser Grabung wird von A. Hanöffner, G. Hiesel und P.
v. Rummel vorbereitet.
 
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