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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0082
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78

Die Befunde

Bei den Mauern, die in vorrömische Zeit datiert werden kön-
nen, finden sich immer wieder Blöcke, die die gesamte Breite
der Mauern einnehmen (Taf. 13, 3) und damit die Stabilität
der Konstruktion erhöhen, was aufgrund des deutlich kleintei-
ligeren Materials der später zu datierenden Mauern nicht mehr
möglich war, wie ein Vergleich zwischen der numiderzeitlichen
Mauer 83 (Taf. 12, 1) und Mauer 227 aus flavisch-trajanischer
Zeit (Taf. 22, 4) deutlich zeigt. Demnach kann man mit dem
Wechsel des verwendeten Materials auch einen - wenngleich
auf den ersten Blick nicht sonderlich bemerkenswerten —
Wechsel in der Bautechnik erkennen. Während man sich in
numidischer Zeit noch der Möglichkeit bediente, die Mauern
aus wenigen, großen Blöcken zu setzen, erlaubte das seit der
frühen Kaiserzeit verwendete, kleinteilige Material dieses Vor-
gehen nicht mehr, sodass die Außenschalen nun deutlich sch-
maler ausfielen und die Mauerkerne entsprechend an Größe
Zunahmen.
In diesem Zusammenhang ist es doch zumindest bemerkens-
wert, dass auch die Mauern, die eine römische Zeitstellung
aufweisen, nicht wenigstens in opus incertum ausgeführt wur-
den, denn schließlich wurden Mauerkonstruktionen mit einen
Kern aus opus caementicium^ und unterschiedlichen Arten
von Verblendungen seit dem 2. Jh. v. Chr. zunächst im itali-
schen Bereich und schließlich im gesamten Römischen Reich
verwendet und finden sich in dementsprechend hoher Anzahl
auch in Nordafrika und Thugga selbst320.
Die Hau- und Bruchsteinmauern unseres Untersuchungsa-
reals haben aber statt widerstandsfähiger caementicium-Kerne
lediglich eine Mischung aus Steinen und einem sehr kalkar-
men, lehmigen oder sandigen Mörtel in ihrem Inneren und
stehen damit bezüglich ihrer Stabilität und Haltbarkeit hin-
ter Mauern in opus caementicium zurück. Eine ganz ähnliche
Beobachtung konnte auch an Gebäuden gemacht werden, die
durch die britische Grabung an der Nordseite des Kriegshafens
in Karthago freigelegt wurden: Hier waren sogar die Ausfa-
chungen des opus africanum römischer Zeitstellung fast nie als
opus caementicium gearbeitet, sondern vorwiegend in einer von
den Ausgräbern als „stones and earth“ bezeichneten Technik:
kleine Steine, in sandigem Lehm gebunden und verblendet mit
regelmäßig oder auch völlig unregelmäßig gesetzten Steinen321.
Eine konkrete Ursache hierfür konnte bislang noch nicht be-
nannt werden, zumal es in Karthago ja auch zahlreiche Bauten
in opus caementicium gibt.
Eine Erklärung für dieses Phänomen liegt möglicherweise in
der punischen Tradition von Mauern aus Lehm, die zwischen
Schalungsbrettern festgestampft und als Pise bezeichnet wer-
319 In der Llt. findet sich häufig die moderne Schreibweise ,opus caementiti-
um‘, während Vitruv die Bezeichnung ,caementicius‘ überliefert: »[...] parietibus
caementiciis [...]« (Vitr. 2, 8, 17); »[...] non modo caementicio aut quadrat [...].«
(Vitr. 8, 2, 16); »[...] latericio an caementicio an saxo quadrato [...]« (Vitr. 6, 8, 9).
320 Die Entwicklung des opus caementicium begann im 3. Jh. v. Chr. in
Kampanien und war im 2. Jh. v. Chr. bereits voll entwickelt. Auf die Diskus-
sion um einzelne Datierungen und unterschiedliche Entwicklungsstufen kann
hier nicht eingegangen werden, verwiesen sei an dieser Stelle auf Coarelli 1977,
9-19, Rakob 1976, Rakob 1983 und Adam 2001, 127-150.
321 Hurst — Gibson 1994, 53.

den322. In Tunesien sind solche Mauern bislang vorwiegend
aus Kerkouane und Karthago bekannt, waren aber in der
Antike sehr weit verbreitet, wie Plinius d. Ä. überliefert. Er
bezeichnete die so errichteten Mauern als paries formaceus (-
geformte Wand) und berichtete, dass sich diese über Jahrhun-
derte in Afrika und Spanien halten würden, keinen Schaden
durch Regen, Stürme und Feuer nähmen und stabiler als jedes
andere Mauerwerk seien; in Spanien seien überdies noch die
Verteidigungsanlagen Hannibals aus dem Zweiten Punischen
Krieg zu sehen, die in dieser Technik angefertigt worden sei-
en’23. Während den Befunden in Pise-Technik aus Kerkouane
eine punische Zeitstellung zuzuweisen ist, können diejenigen
aus Karthago in das 1. und 2. Jh. n. Chr. datiert werden324.
Man bediente sich dieser Bautechnik demnach also auch noch
in römischer Zeit. Soweit es sich aus dem bisherigen Kenntnis-
stand abzeichnet, ging die Verwendung von Pise mit dem Auf-
kommen der effizienteren Bautechnik des opus caementicium in
Nordafrika im 2. Jh. n. Chr. aber stark zurück325.
In Thugga sind zwar bislang noch keine Mauern in Pise er-
graben, doch wurden solche Mauern, ihrer weiten Verbreitung
entsprechend, sicherlich auch hier verwendet, und daher war
bekannt, dass auch aus kalkarmem Lehm sehr haltbare Mau-
ern konstruiert werden konnten326. Mauern aus Pise bestanden
jedoch nur aus Lehm und hatten keine Steinverblendungen,
diese finden sich nur bei Mauern in opus caementicium. Bei
den Mauern römischer Zeitstellung in unserem Grabungsareal
fällt gegenüber denen aus älterer Zeit die Größe des verwen-
deten Steinmaterials auf, die ein Verlegen von Blöcken über
die gesamte Tiefe der Mauer nicht mehr ermöglichte, sondern
die Errichtung von zwei schmalen Schalen erforderlich mach-
te, die dann mit kleinen Steinen und kalkarmem, lehmigem
Mörtel verfüllt wurden. Diese Technik entspricht zwar dem
Aufbau eines opus incertum, doch fehlt eben gerade der ent-
scheidende Kern aus opus caementicium, während die Füllung
des Mauerkerns überwiegend aus lehmigem Material an die
Technik des Pise erinnert, ohne dieser genau zu entsprechen.
Die geringe Anzahl der bislang freigelegten und diesbezüglich
relevanten Baubefunde erlaubt leider noch keine konkretere
Aussage zu diesem Phänomen. So ist nicht zu entscheiden, ob
es sich bei diesem Vorgehen um erste Schritte einer Übernah-
me, den Versuch einer Imitation der opus caementicium-Tec\\-
nik oder schlichte Notwendigkeit handelte, da man nur noch
kleinteiliges Material zur Verfügung hatte. Hier kann nur eine
umfassende Untersuchung chronologisch eindeutig stratifizier-

322 Eine genaue Beschreibung des Ablaufs der Errichtung einer Mauer in
Pise sowie der dabei notwendigen Werkzeuge bei Davey 1961, 21 f. und 235
mit Abb. 132. Der moderne Begriff entstand im Frankreich des 18. Jhs., als
man sich dort wieder verstärkt der Lehmbauweise bediente, s. dazu beispiels-
weise Cointeraux 1803, passim.
323 Plin. nat. 35,169. Die Wehranlagen Hannibals waren zu Lebzeiten Pli-
nius’ d. Ä. bereits 300 Jahre alt.
324 Zu den Befunden in Kerkouane s. Fantar 1984, 309-315, zu denen aus
Karthago s. Hurst — Gibson 1994.
325 Hurst - Gibson 1994, 54.
326 Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass das heutige
Stadtbild Thuggas ganz überwiegend den Zustand des 2. bis 4. Jhs. n. Chr.
widerspiegelt; die mehrere Jahrhunderte vor dieser Zeitspanne zurückreichende
Geschichte der Stadt lässt sich dagegen bislang nur selten fassen, weshalb auch
entsprechende Befunde momentan noch nicht bekannt sind.
 
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