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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0039
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DieJjGebriider van Eyck.

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a jcr unter den prunkfüchtigen und kunftliebenden Herzogen von Burgund und
ui den Tagen ihrer höchften Bliithe lebten hier die zwei grofsen Meifter der
älteren Schule van Eyck und Memlinc, lernte Rogier van der Weyden, und
wohnte eine zahlreiche Schaar anderer Künftler, deren Namen entweder ohne
damit zu verbindende Werke, oder deren Werke ohne die zugehörigen Namen
aul uns gekommen find.

Zur felben Zeit, in welcher Antwerpen ihre vlämifche Schwefterftadt in
Handel und Wohlftand überflügelte, wurde lie auch ihre Erbin im Reich der
Kunft. Ehe wir jedoch verfolgen, was diefs köftliche Erbtheil in ihren Händen
wurde, ilt es nöthig das in Betracht zu ziehen, was die niederländifche Malerei
war, bevor fle ihren Thron von Brügge nach Antwerpen verlegte. Suchen wir
uns eine Vorftellung davon zu bilden, indem wir uns mit ihren drei hervorragend-
ften Irägern bekannt machen.

Jan van Eyck oder Jan und HuiBRECHT VAN Eycic (denn die Schöpf-
ungen des letzteren hat die Gefchichte bislang nicht von jenen feines jüngeren
Bruders auszufcheiden vermocht) malten in majeftätifcher, würdiger Art, mit
offenem Auge für die Wahrheit, unbegränzter Liebe für volle Farbenpracht
und feinem Gefühl für ihre glänzende Verbindung.

Werfen wir einen Blick auf ihr weltberühmtes Meiftenverk, die »An-
betung des Lammes Gottes,« welches für die Grab-Kapelle von Jodocus Vydt
in der damals St. Jans, jetzt St. Baafs genannten Kirche zu Gent gemalt wurde.*
Las Werk theilt lieh in eine untere und in eine obere Hälfte. Die untere be-
fteht aus fünf 1 heilen: ein Mittel- und vier Seitenftücke, die obere aus lieben
befonderen Tafeln, von welchen die mittelfte und die zwei äufserften etwas
höher find als die vier übrigen. Gent hat von dem grofsen Werk nichts
anderes behalten als das Mittelbild der unteren und die drei Mitteltafeln der
oberen Reihe, von dem Uebrigen, was die aufzufchlagenden Flügel des Altar-
fchreines bildete, befinden fich die beiden äufseren Tafeln des Übertheils im
Mufeum zu Brülfel, und die fechs anderen in jenem von Berlin.

Der Obertheil enthält in der Mitte Gott Vater, rechts folgen St. Johannes
Baptifta, die orgelnde Cäcilia und Eva, links fleht man die Jungfrau Maria, eine
Gruppe fingender Engel und Adam. Unterhalb ift die Vifion dargeitellt, die
Johannes in der Offenbarung (cap. 7) befchreibt: »Nach diefern Iah ich eine
grofse Schaar, die Niemand zählen konnte aus allen Nationen und Gefchlechtern
und Völkern vor dem Thron und vor dem Lamm liehen, bekleidet mit langen
weifsen Kleidern und Palmenzweige waren in ihren Händen.« Im Vorgrunde
entfpringen die lebenden Quellen der Waller der Offenbarung, dahinter lieht
auf einem Altar von Engeln umringt das Lamm Gottes, vier Schaaren von
Märtyrern, aus den vier Ecken des Gemäldes kommend, begeben fich nach
der Mitte über eine blumige Wiele; im Hintergründe zeigt fich Jerufalem. Aul
den unterften Seitentafeln lieht man (ehemals rechts) die heiligen Eremiten und
Pilger, (links) die Streiter Chrilli und die gerechten Richter, die fich alle, die
einen zu Ful'se, die andern zu Pferd durch eine gebirgige Landfchalt zum
Lamme begeben.

In majellätifcher Haltung und voll Manneskraft thront Gott Vater in
der Mitte des Werkes, zwei Finger der rechten Hand erhebend, das Scepter
in der Linken, die dreifache Krone auf dem Haupte, im rothen über das rothe
Unterkleid gelchlagcnen Mantel: ein Bild von mehr als menfehliehet' Erhaben-

’* Kie in diefem Werke belprochenen Gemälde find von dem Verfaffer im Original befichtigt
und an Ort und Stelle befchrieben worden. Die Bezeichnungen rechts und links verliehen
lieh von der rechten und linken Seite des ßefchauers.
 
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