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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0054
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28

III, Antwerpen^ Aufblühen, — Die St, Litcas-Gllde,

zauber, ein Schaufpiel deffen man in den Tagen derDrangfal mitWehmuth fich
erinnerte, aber nachdem die dunklen Nächte und die langen bangen Stürme
vorbei find, mit Freude gedenkt. In jenem Jahre wurde in Antwerpen ein Feft
gefeiert, in welchem wie in einem Brennpunkte alle Lichtftrahlen zufammenfallen,
die Handel und Gewerbfleifs, Kiinfte und Wiffenfchaften darüber hatten er-
glänzen laffen. Das »Landjuweel« von 1561 mag als einer von den vielen
Beweifen für Antwerpens reichen Glanz und für den hohen Rang dienen, welchen
die Maler unter der Violiere einnahmen, wenn es galt den guten Namen der
Stadt aufrecht zu halten und Freunden wie Fremden zu zeigen, was an Kunft
und Pracht hier zu Hause war.

Der Schöffe Melchior Schets, Herr von Rümpft, war jenes Jahr Präfident und
Anthonis van Straelen, Herr von Merxem und Bürgermeister von Antwerpen war
Hauptmann der Kammer. Als die Violieren die vierzehn theilnehmenden Ge-
noffenfchaften empfingen waren ihrer 6 5 Männer zu Pferd, alle köftlich gekleidet
mit violetten Reiterröcken, Hüten und Huttüchern von derfelben Farbe,
weifsen Wämfern, Strümpfen und Schuhen, violetten, rothen und weifsen Federn.
Die Betheiligten wetteiferten mit einander an Pracht und der damals von ihnen
entfaltete Reichthum ift unerhört. Eine der zwei Mecheln’fchen Kammern,
die daran theilnahmen, die »Pioene« (Päonie) hatten 326 Reiter in dem präch-
tigen Empfangszug, der am 3. Auguft ftattfand. Sie waren in goldverbrämte
Röcke von feinem hochrothen Stoff gekleidet und mit rothen Hüten, Wämfern,
Strümpfen und Federn, goldenen Kränzen und fchwarzen Stiefeln ausgeftattet,
iiberdiefs führten fie fieben antike Wagen mit allegorifchen Figuren befetzt und
fechzehn kleinere Wagen mit fich, und ritten paarweife, das erfte Paar brennende
Fackeln in der Hand, die zwei folgenden Reiter je eine Blume und fo ab-
wechfelnd weiter. Unter ihnen waren 112 Edelleute, die eine fchwere goldene
Kette um den Hals trugen und deren Wämfer mit echtem Gold befetzt waren,
Reiter und Fufsgänger zufammen aber waren mindeftens 600. Das »Marien-
Kränzchen« von Brüffel hatte 340 Mann zu Pferd, noch reicher gekleidet als
die Micheler. Sie trugen lange karmoifinrothe und mit goldenem und filbernem
Bortenwerk verbrämte Ueberkleider, rothe Hüte von der Geftalt antiker Helme,
weifse Wämfer, Federn, Schuhe und Gürtel von vielfärbig durchwirktem Gold-
ftoff. Sie hatten zwei antike Prunkwagen mit figürlichen Darftellungen und noch
achtundfiebzig fchön verzierte Wagen; zu Fufs, zu Pferd und zu Wagen aber
zufammengenommen waren die Betheiligten wohl an 1000 Mann* Der Einzug
diefes feftlichen Heeres währte von ein Uhr Nachmittags bis drei Uhr Morgens.

Der »Landjuweel«, d. h. der Wettftreit zwifchen den Rederijkkamers
der Städte, dauerte vom 3. Auguft bis zum 23., die Preife wogen 114 Unzen
Silber, und am 16. Tage des Feftes berechnete ein Augenzeuge, dafs man be-
reits 100,000 englifche Pfund, nach heutigem Werthe mindeftens acht Millionen
Francs verzehrt habe. Und nach dem Landjuweel begann das »Haagfpel«
(Heckenfpiel), wie man den Wettkampf der Rederijkkamers der Dörfer nannte,
und diefs letztere fchlofs nicht vor dem 2. September, fo dafs einen vollen
Monat jubilirt wurde. Die Einheimifchen wie Auswärtigen laffen all die Pracht,
die fie da fahen, nicht unerwähnt und fprechen mit befonderem Rühmen von
Antwerpens reicher Ueppigkeit im Allgemeinen. »Ich wollte bei Gott«, fchrieb
der Engländer Clough, »dafs einige unferer Edelleute, welche meinen, dafs die
Welt von Hafergrütze gemacht ift, diefs gefehen hätten; dann würden fie ein-
fehen, dafs es andere Männer gibt als fie, und an die Zeiten denken, die
noch kommen muffen: denn die, welches folches können, können auch etwas

Brief von Clough bei Mertens en Torfs, Gefchiedenis van Antwerpen. V. 216.
 
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