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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0141
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VII.

Die ältesten Landschaftsmaler.

chon in den erften Zeiten der niederländischen Malerfchule
fällt die Sorgfalt auf, mit welcher die Landfchaften ausge-
führt find. Die Gebrüder van Eyck geben uns in der unteren
Reihe der Tafeln ihres Hauptwerkes nicht blos die Anbeter
des Lammes zu fehen, fondern auch die Landfchaft, durch
welche fie nach dem Gegenstände ihrer Anbetung ziehen.
Die Bedeutfamkeit beider Theile ift faft diefelbe, und die
Sorgfalt mit welcher die Natur gemalt erfcheint, dürfte nicht
geringer fein denn jene, welche an den Figuren bethätigt ift.

Eigenartig ift diefer Landfchaftsdarftellung, dafs zunächft im Vorgrunde
das Gras und die dazwifchen blühenden Blümchen, Stengel für Stengel, Blatt
für Blatt in hellem Ton und Scharfem Umrifs gemalt find. Auch weiter in
der Ferne bis zu grofsem Abftand von dem uns zunächft gelegenen Theil be-
halten die Wiefenblumen ihre Schärfe und Helligkeit und noch in der weiteften
Entfernung find die Bäume mit ihren Zweigen und Blättern forgfältig und ge-
nau ausgeführt; auch da noch unterscheidet man fehl' wohl eine Pappel von
einem Palm- oder Orangenbaum, auch da kann man noch die Blättchen zählen
und fehen ob Sie Schmaler oder runder, härter oder weicher find.

Dasfelbe Streben, welches die Figuren in reichem Gewände darftellt,
und ihre Kleider mit Perlen und Gold Säumt und mit Blumen durchwebt, finden
wir in der Landfchaft wieder. Schiefsen im Vorgrunde Schritt vor Schritt
frifche Kräuter mit farbigen Blümchen aus der Erde auf, fo fieht man weiterhin
die höherftämmigen Pflanzen, Bäume und Gebiifche, und wieder weiter auf der
Höhe der Berge und an den Abhängen der Thäler erheben fleh ganze Städte oder
zierliche Thiirme. Und ebenfo ift auch die Farbenfcala und die Perfpective
gegliedert. Ein Uebergang von dem einen Plan zum anderen befteht weder
in Farbe noch in Ton; die Hintergründe find fo hell und fo Scharf gefärbt
und gezeichnet wie der Vorgrund; die Gegenftände verkleinern fleh zwar,
aber hüllen fleh in keinen Luftton. Dagegen entdecken wir fchon bei den van
Eycks eine Eigenthümlichkeit, die wir noch zwei Jahrhunderte lang bei unfern
Landschaftsmalern wiederfinden. Die Gründe nemlich, auf welchen die Figuren
ftehen, haben eine hellgrüne natürliche Färbung, in den Hintergründen und
ausgedehnten Fernfichten jedoch nimmt Alles einen blauen Ton an. Berge, Weide-

Max Rooses, Gefchichte der Antwerpen’fehen Malerfchule. 8
 
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