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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0163
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Jan Brueghel der Aeltere lind der Jüngere.

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noch fchöneres Exemplar diefes Gegenftandes befindet fich in Palazzo Durazzo
zu Genua unter dem irrthümlichen Namen von Frans Pourbus: ein grofses
Stück auf welchen Blumen und Landfchaft an Farbenpracht und Feinheit der
Malerei miteinander wetteifern.

Brueghel malte gern Blumen, die er mit Sorgfalt auswählte und mit
Genauigkeit ausführte. »Ich glaube, dafs die Blumen ziemlich natürlich aus-
fehen dürften,« fagt er in einem feiner Briefe. »Es find deren mehr als
hundert, alle rar und fchön. Die gemeinen Blumen find Rofen, Tulpen, Nelken
und Veilchen, die anderen find aufsergewöhnliche, einige findet man nicht in
diefen Landen.« Er hielt darauf, fie nach der Natur zu malen, und begab fich
wohl einmal nach Brüffel, um fie dort in der Bliithe zu fehen. Seine Blumen-
ftiicke find auch Meifterwerke in ihrer Art. Das Berliner Mufeum, das zu
Wien und andere Sammlungen, worunter wir die des Herrn Bamberger in
Meffina, die wir 1877 in Antwerpen zu bewundern Gelegenheit hatten, nicht
unerwähnt laffen möchten, befitzen Blumenftücke von ihm, welche zu dem
Schönften und Gefchickteften gezählt werden dürfen, was jemals in diefem Fache
hervorgebracht wurde. Mit Feinheit und Kraft wird jedes Blümchen bis in’s
Detail durchgeführt, mit dem beften Gefchmack werden die reichen Farben
verbunden ; und was uns fonft an Brueghel’s Werken unangenehm berührt,
nemlich feine Liebe für den Glanz, ift hier gerade ein Verdienft. Ein Bouquet
von ihm fchiefst wie eine dichte Garbe aus der Blumenvafe auf, und glänzt
und ftrahlt mit feinen taufend warmen Farben wie die blendenden Raketen
und Sterne eines Feuerwerks.

Im Mufeum zu Brüffel (Nr. 129) finden wir von Brueghel eine »Predigt
des h. Norbert gegen die Tanchelm’fche Ketzerei.« Der Heilige fleht auf einer
Erhöhung, die Ketzer mit Füfsen tretend. Hinter ihm befindet fich eine Schaar
von Prämonftratensern, deren Ordensftifter er war; vor ihm fitzt und fleht eine
Menge Volks im Kreife gedrängt und auf ihn hörend: erft eine Reihe fitzender
Frauen, dann Kanoniker, ein auf feinen Stock geftützter Mann fteht vorne,
zwei Fuhrleute zu Pferd find dahinter und in der Mitte noch zwei Reiter. In
der Ferne fleht man die Frauenkirche von Antwerpen. Das Colorit ift, wie
immer von voller Frifche und Kraft mit den fich daraus ergebenden fcharfen
Contraflen. Auf dem warm weifsen Gewände der Herren vom hl. Michael
zeichnet fich hart und fchwarz eine Figurengruppe des vorderen Planes ab;
die vorderflen Zuhörer flehen im hellflen, die dritte und vierte Reihe bereits
im gedämpften Licht, die letzte im Dunkel.

Brueghel wählte wiederholt folche Scenen, bei welchen zahlreiche Volks-
mengen darzuftellen waren, und in keinen anderen von feinen Stücken tritt fo
viel Wahrheitsliebe zu Tage. So befitzt das Mufeum von Madrid (Nr. 1277)
von ihm eine »Bauernhochzeit,« die man für das Werk eines Genremalers
unferer Tage halten möchte. Der Tambour voran, der Bräutigam mit feinem
Beiftänder, die fackeltragenden Frauen, die Braut zwifchen ihren zwei Kranz-
jungfern, der Biirgermeifler zu Pferd, die tanzenden Bauern und Bäuerinen, die
Neugierigen auf der Kirchhofmauer, das Alles ift richtig gefehen und fo
lebendig wiedergegeben, als man es nur wiinfchen kann.

Jan Brueghel hatte, wie wir bereits fahen, einen gleichnamigen Sohn,
der, im September 1601 geboren, 1622 feine italienifche Tour antrat und im
Auguft 1625 nach Antwerpen zurückgekehrt war. Diefer Jan BRUEGHEL DER
JÜNGERE heiratete am 5. Juli 1626 Sara Goetkint, die Tochter des Lehr-
meifters feines Vaters. Er hatte mehrere Kinder, darunter zwei Maler, und lebte
noch 1667. Ganz in der Art feines Vaters malend, erntete er auch nicht
weniger Beifall als diefer. Die gröfsten Meifter, Rubens, van Diepenbeeck,
 
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