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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0191
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Rubens’ Eltern.

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Der Vater unferes grofsen Meifters hiefs Jan Rubens und war den
13. März 1530 in Antwerpen als der Spröfsling einer Bürgerfamilie geboren,
deren ältefte Glieder wir dort fchon vor 1400 als Lohgerber anfäfsig finden.
Sein Vater Bartholomäus und fein Grofsvater Peter waren beide Spezereihändler.
Jan Rubens ftudirte die Rechte, brachte fieben Jahre in Italien zu und wurde
in Rom am 13. November 1554 nach einem glänzend abgelegten Examen zum
Doctor des bürgerlichen und canonifchen Rechtes promovirt. Um das Jahr
1561 trat er mit Maria Pijpelinckx in den Eheftand. In den Jahren 1562 bis
1567, demnach in der Zeit als die erften und ernftlichften Unruhen in Ant-
werpen vorfielen, war er Schöffe diefer Stadt. Des Proteftantismus fchwer ver-
dächtigt errachtete er es nach des Plerzogs von Alba Ankunft und dem Beginne
feiner Verfolgung gegen die Geufen und deren Freunde für gerathen, einem in
Sachen des Glaubensbekenntniffes fo unerbittlichen Manne gegenüber fich keiner
Gefahr auszufetzen; er verliefs daher Antwerpen und begab fich nach Cöln, wo
er gegen Ende des Jahres 1568 ankam. Nicht zu früh, denn in Kurzem ftand
fein Name auf der Lifte der Verbannten.

Annähernd um diefelbe Zeit wie Jan Rubens hatte Anna von Sachfen,
Gemahlin des Prinzen Wilhelm von Oranien, des erlauchten Führers im Auf-
ftande gegen Spanien, Cöln zum Aufenthaltsort erwählt. Sie lebte in Unfrieden
mit ihrem Manne und hatte ihm durch ihre leichtfertige Gebahrung bereits
wiederholt Grund zu Klagen gegeben. In der That war fie eine Frau von un-
beftändiger Gemiithsart, ohne Schönheit und ohne einen Begriff von Pflicht und
Würde, die niemals Selbftbeherrfchung an den Tag legte und irrfinnig ftarb.
In Cöln zunächft darauf bedacht, den ihren perfönlichen Brautfchatz ausmachen-
den Befitz von der Confiscation zu befreien, mit welcher die Güter ihres
Gemahls belegt worden waren, zog fie - zwei Rechtsgelehrte von grofsem Rufe
bei, Jan Bets von Mecheln, der auch bei Alba’s Ankunft die Niederlande ver-
laffen hatte, und Jan Rubens.

Der letztere gewann fofort das befondere Vertrauen Anna’s von Sachfen;
er erfchien beftändig an ihrer Tafel, begleitete fie ftets auf ihren Reifen, und
als fie ihrer befchränkten Geldmittel wegen nach Siegen, einem unfern von Cöln
gelegenen Städtchen überfiedeln mufste, vertraute fie ihm ihre Kinder und ihre koft-
barfte Habe an. Jan Rubens befuchte fie nun wiederholt in ihrem neuen Wohn-
fitz ; es entftanden zwifchen beiden fträfliche Beziehungen, und im Auguft 1,571
brachte die Prinzeffin eine Frucht ihrer beiderfeits ehebrecherifchen Liebe
zur Welt.

Bereits fünf Monate früher war Rubens eines Tages, als er fich eben nach
Siegen begab, durch die Trabanten des Grafen von Naffau , eines Bruders des
Prinzen von Oranien, aufgehoben und als Gefangener nach Dillenburg gebracht
worden. So grofs die Angft feiner Frau gewefen fein mag, als Tag um Tag
verging, ohne dafs er zurückkehrte, oder etwas von fich hören liefs ; fo war
doch gewifs ihr Herzeleid noch gröfser, als fie gleichzeitig die Kunde von feiner
Gefangennehmung und von feiner Untreue erhielt. Aber ihr edles Herz wufste
ihr eigenes Unglück zu vergehen um das ihres Mannes zu lindern. Noch bevor
fie eine Mittheilung von feiner Hand empfangen, fandte fie ihm brieflich ihre
Verzeihung, und als drei Tage fpäter ein Schreiben ihres eingekerkerten
Gemahls eintraf, antwortete fie ihm umgehend, um ihm Troft und Muth
zuzufprechen.

Diefer Brief war noch nicht abgegangen, als ein Dankfehreiben für ihre
Vergebung anlangte. Die treffliche Frau ergriff neuerdings die Feder und
fügte dem erften Brief einen zweiten bei, der mit folgenden Worten anfängt:

„Mein theurer und fehr geliebter Mann! Nachdem ich eben das bei-

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