Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0287
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
256

X. Die Rubens’fche Schule.

als das im Befitze des Grafen Carlisle befindliche des Frans Snijders, und von
jenen die der Continent von demfelben Meifter bewundert, ift wie wir wohl
hinzufügen möchten, keines, welches den Snijders mit feiner Frau im Caffeler
Mufeum übertrifft. Und nicht blos in diefen zwei Bildern verewigte van Dijck
feinen Freund, fondern auch fonft noch findet man Wiederholungen diefer
Werke, wie er auch fein Bildnifs iiberdiefs radirte. Er mufste ihm daher fehr
geneigt fein, und man fieht wenn man eines diefer Porträts betrachtet, dafs
er mit Liebe daran arbeitete, denn nicht in breiter Technik und flott auf die
Leinwand hingeworfen, fondern mit Hingebung, faft mit Inbrunft find fie
gemalt. Es mufste eine gewiffe innere Harmonie zwifchen den zwei gröfsten
Nachfolgern des Rubens beftanden haben: der grofse Porträtmaler der Menfchen
mufste Freundfchaft und Hochachtung für den grofsen Porträtiften der Thier-
welt gehabt haben.

Auf dem Caffeler Bilde (Nr. 290) fehen wir Snijders mit feiner Frau.
Er kann etwa 35 Jahre alt fein, feine Frau ift jünger. Sie hat ein regel-
mäfsiges Gefleht, mit zartem liebevollem Ausdruck. Er hat einen auffallend
feinen Kopf mit braunem Haar und gleichfarbigem den Mund umrahmendem
Bart, feine Züge find mager, fein Augenauffchlag ift träumerifch, und im Ganzen
fieht er ebenl'o fchwach von Gefundheit als gutherzig aus. Wie durch eine
Flamme, die zart von Innen brennt, wird das heile blanke Gefleht erleuchtet, ein
Licht, nichts anderes als der Seelenadel, der höhere Geift, der durch die zartere
körperliche Umhüllung hindurchftrahlt. Seelen- und Körperzuftand lind deutlich
in diefer durchfichtigen Geftalt zu lefen, die befcheiden von Haltung und Farbe,
ftill und doch lebendig, voll Einfachheit und doch voll Vornehmheit ift. Auch
van Dijck war eine feine Natur, vergleicht man aber fein Bildnifs mit dem
Snijders’ , fo erfcheint das erftere als das einer forglofen und genufsliebenden,
das letztere als das einer gefetzten und zarten Natur.

Wie ftill aber auch fein Bildnifs ausfehen mag, in feiner Thätigkeit war
Snijders ganz anders. Er war ein Schüler Pieter Brueghel des Jüngeren und
Hendrik van Baien des Aelteren, und begann in der Art diefer Meifter Still-
leben zu malen. Die erften feiner Bilder jedoch, von denen wir hören ,* waren
ein »hl. Sebaftian,« den er vor feiner Reife zu copiren im Begriffe war, dann
eine »Porzellanfchale mit Früchten« und ein anderes Bild mit »Früchten,
Thieren und P'leifch,« die 1611 vollendet waren. Aufser diefem hl. Sebaftian
hören wir nichts weiter von hiftorifchen Gemälden von Snijders. Stillleben
war und blieb das P'ach, worin er fich hervorthat. Schon 1609 nennt ihn
Brueghel einen der bellen Maler Antwerpens, zwei Jahre fpäter bezeugt der-
felbe P'reund von ihm, dafs er wunderbare Sachen mache.** Und diefs Lob
ift nicht übertrieben.

Snijders erfte Werke bezeugen deutlich den Einflufs der Brueghels und
van Baien: feine Frucht- und Vogelftücke zeichnen fich durch forgfältige Aus-
führung und glänzendes Colorit aus. Doch ift unverkennbar, dafs Snijders
fchon von vorneherein breiter und natürlicher war, als feine Vorgänger. Die
Federn der Vögel erhalten ein fcharfes Glanzlicht, der Flaum der Gänfe feine
Weichheit, die Aepfel ihre warme Farbe, die Trauben ihre faftige Durchfichtig-
keit, und die „todte Natur“ erhält unter feiner Pland neues Leben. Im Um-
gang mit Rubens wurde jedoch feine Art noch breiter und lernte er auch
grofses Wild und Jagden darzuftellen. Das Licht, das aus Rubens’ Werken
lunkelt und durch die Haut feiner Figuren ftrahlt, durchftrömt auch mild und

* Crivelli, Giovanni Breughel p. x 17, 1S5.

** Cose miracolosa (Brueghel an Borromeo io. Juni lön. Crivelli a. a. O. S. 185).
 
Annotationen