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Jasper de Crnyer.

armfelige Zufammenftellung von oberflächlich gemalten Figuren, Geftalten mit
dicken Augäpfeln, offenem Mund und ftarrem Blick, was Extafe bedeuten foll,
das Alles findet man nur zu oft in feinen gewöhnlichen Arbeiten und erweckt
den Eindruck einer handwerklichen Kunft.

Damit foll nicht gefagt werden, dafs de Crayer den grofsen Namen
nicht verdient, den er in der Gefchichte erworben hat. Neben feiner Fabrik-
arbeit kennen wir von ihm noch manches Stück, das unter den Erzeugnifsen
unterer gröfsten Meifter einen Ehrenplatz einnimmt. So hängt in der St.
Martinskirche zu Aalft eines feiner vorzüglicheren Gemälde neben einem von
Rubens’ beften Stücken, und hält ficli in der That gut neben cliefem zu fürchten-
den Rivalen, und eben fo fchwer ift es bei einer andern feiner auserlefenen
Schöpfungen, die im Mufeum zu Lille zwifchen zwei der wärmften Malereien
van Dijcks hängt, zu entfchciden, welchem von den beiden Meiftern die Palme
gebührt. De Crayer hat in feinen guten Werken etwas von Rubens: diefclbe
Leichtigkeit der Anordnung, und diefelbe Breite der Behandlung; nur haben
feine Malereien im Allgemeinen etwas Trockenes und I lohles. Mit van Dijck aber
hat er das gemein, dafs ein Theil feiner Werke ein ungemein warmes Colorit
befitzt, und dafs feine Figuren mehr Eleganz als Kraft zeigen, dagegen fehlt
ihm der höhere Adel und das feinere Seelenleben diefes Rivalen.

Zu den beften Schöpfungen de Crayer’s gehören die zwei obengenannten
Stücke. Das in der St. Martinskirche zu Aalft befindliche ftellt »Maria, um-
geben von einer grofsen Zahl von Heiligen,«, dar: Die Mutter Gottes mit dem
Kind auf dem Arm, von einer warmen Glorie umgeben und von Engeln adorirt,
verleiht einem Mönche das Ordenskleid. Ihr zartes duftiges Incarnat geht
warm ab von dem fie umftrahlenden Lichtglanz. Unten kniet ein Bifchof,
ein Abt, ein Papft, ein Cardinal, alle in verfchiedentlich ausgedrücktem Er-
ftaunen das Wunder anftarrend. Das helle himmlifche Licht, welches das
Bild überflromt, läfst die Draperie diefer Figuren, befonders den weifsen
Kuttenftoff und das blanke Chorhemd, kräftig hervortreten, und die Geberden
der anfcheinend in ehrfurchtsvoller Bewunderung und Anbetung verfunkenen
Figuren find vollkommen würdig. Der innige Ausdruck des in der unterften
Reihe knienden Paters und die noch tiefere Seligkeit, welche aus der hageren
felbftlofen Geftalt des den Habit empfangenden Mönches ftrahlt, find in der
That voll edlen und dichterifchen Gefühls. Die Anordnung ift durchaus
natürlich und reich: durch die himmlifche Erfcheinung wird die hohe Leinwand
auf die einfachfte Weife in ihrem oberen Theile gefüllt, während die anbeten-
den Figuren unten eine dichte Schaar bilden. Das merkwürdige Bild wurde
für das Grabmal des Herrn Joannes van der Meerfche, Schöffen von Aalft
gemalt, welcher 1619 ftarb; damals in der Karmelitenkirche aufgeftcllt, kam
es fpäter mit dem Hauptaltar, auf welchem es fich befand, nach der St.
Martinskirche.

Das im Mufeum zu Lille (Nr. 143) befindliche Bild heilst die »Vier
Gekrönten« und zeigt uns verfchiedcne Märtyrer, die lebendig begraben werden.
Einer ift bereits in den Bleifarg gelegt, in welchem er verfchmachten foll, und
weift mit der Hand das Götzenbild zurück, das ihm ein heidnifcher Priefter
anbietet; ein anderer, der im Begriff ift in das Grab zu fteigen, erhebt flehend
und hoffend das abgewandte Gefleht zum Himmel, wo er bereits die Engel
fleht, die ihm die Martyrerpalme bringen, andere Schlachtopfer knien betend
neben ihm. Es ift ein in jeder Hinficht reiches Gemälde, die dichten Gruppen
greifen gut ineinander, der Ausdruck der Hauptperfonen ift innig, ja rührend,
die blauen, rothen und weifsen Kleider, befonders aber die meergrüne Draperie
des rechtsftehenden Märtyrers und der rothe Sammtmantel des Priefters find

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