Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0492
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
458

XIV. Die Antwerpifche Malerfchule im 19. Jahrhundert.

die Stadt feiten Schrittes die Bahn ein, welche fie in weniger als einem halben
Jahrhundert wieder auf jenen Höhenpunkt von Bliithe bringen follte, wie fie ihn
dreihundert Jahre vorher bereits erreicht hatte, und den fie wie zu hoffen fteht
bäldeft überfchritten haben wird. Mit dem Wiederaufleben der materiellen
Wohlfahrt aber hielt die Bliithe der antwerpifchen Schule gleichen Schritt.
Wir fallen bereits, wie unter der franzöfifchen Regierung die Akademie reformirt
wurde, und wie Herreyns fich beeiferte, um unter der fremden Oberherrfchaft
den vlämifchen Kunftgeift wieder zu beleben. Neben ihm nennen wir van Bree
als einen Mann, der für den Kunftunterricht wie gefchaffen war.

MATHIJS IGNATIUS VAN Bree* wurde am 22. Februar 1773 zu Ant-
werpen geboren. Sein erfter Lehrer war Petrus Joannes VAN Regemorter,
1794 erlangte er den erften Preis aus dem Zeichnen nach dem Leben. Einige
Zeit darauf begab er fich nach Paris, das mehr als jemals der Mittelpunkt der
Kunft geworden war, und wo untere vlämifchen Maler einerfeits die Lofung
anderfeits die Förderung des Staates wie der Gewalthaber desfelben fuchten.
Van Bree trat in das Atelier von Vincent, eines der Häupter der franzöfifchen
Schule jener Zeit.

Eine ftark ausgefprochene klaffifche Richtung wart damals unter
mancherlei Einflüfsen die herrfchende geworden. Nachdem Winckelmann in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Kenntnifs der antiken Plaftik und
die Liebe dafür zu neuem Leben erweckt, und Raphael Mengs die grofsen
italienifchen Meifter wieder zu Ehren zu bringen und deren Schönheit mit
jener der Antike zu verbinden gefucht hatte, erhoben Cano.va wie Thorwaldfen
die Bildhauerkunft auf der Spur der alten zu neuer Bliithe, und fo war mit
der gefteigerten Hochachtung für die Kunft Griechenlands und Roms angefichts
des Erfolges auch mehr Eifer erwacht, fie zum Vorbild zu nehmen. Und die
Zeiten wurden giinftiger als jemals, um Bewunderer für römifche und griechifche
Thaten und Formen zu erwecken. Die allmälig in Frankreich durch Philofophen
und Schriftlicher vorbereitete Revolution hatte mit den royaliftifchen Traditionen
früherer Jahrhunderte gewaltfam gebrochen, und die fchrittweife entwickelte
Freiheitsliebe, wie die Verhimmelung der Tugenden der römifchen und griechifchen
Republiken, feit Jahrhunderten in den franzöfifchen Schulen und auf der
franzöfifchen Bühne im Schwange, fand in der republikanifchen Staatsform ihre
tiefgreifende Bethätigung. Hatte der Maler David bereits 1784, als er feine
Horatier malte, damit ungemeinen Beifall geerntet, fo konnte es nicht fehlen,
dafs unter der Republik, die wenige Jahre fpäter zu Stande kam, nur mehr
republikanifche Seelengröfse verherrlicht wurde. Inhalt und Form deckten fich:
dachte und empfand man antik, fo war es um fo natürlicher, dafs diefs Denken
und Empfinden in der Kunft durch direkten Anfchlufs an die Kunft des alten
Llellas und Rom feinen confequenten Ausdruck fand.

David war der Mann feiner Zeit. In Geftalten, deren Formen den
Statuen und deren Thaten und Gefühle den Schriften des Alterthums entlehnt
waren, verherrlichte er die Helden früherer Tage. Seine Gemälde waren klaffifch
in Linie, Ausdruck und Gegenftand: Alles erhaben, pathetifch wie eine
franzöfifche Tragödie. Er verdient unteres Erachtens die Geringfehätzung nicht,
mit der man fpäter von ihm fprach, ficher aber ift feine Schule die abfolute
Verleugnung der niederländifchen. Die letztere war auf der Natur und dem
wirklichen Menfclien begründet, gab vielmehr den malerifchen Körper als den

Catalogue du Musee d’Anvers. — L. Gerrits, Levensbeschrijving van M. I. van Bree.
Antwerpen 1852. — Felix Bogaerts , Esquisse d’ une histoire des Arts en Belgique de-
puis 1640 jusqu’a 1830. Anvers 1841,
 
Annotationen