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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0493
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Mathijs Ignatius van Bree.

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reflektirenden Geift wieder und ftand dadurch im ausgefprochenem Gegenfatze
gegen David’s Schule, die in erfter Reihe Ideen verkörpern und tendentiös
wirken wollte, die ihre Infpirationen nicht im wirklichen Leben, fondern im
geträumten Ideal fuchte, die wenig auf Farbe gab und nur auf fchöne Zeichnung
bedacht war.

So fcharf aber auch der Gegenfatz der franzöfifchen Schule gegen die
niederländifche war, fo genofs jene doch auch in Antwerpen wie in Paris un-
befchränkten Beifall. Van Bree wurde von dem Strom mit fortgeriffen. 1797
malte er den »Tod des Cato« und erlangte mit demfelben den zweiten
römifchen Preis. Dann fchuf er den Einzug Napoleon I. in Antwerpen, den
Heldenmuth des Bürgermeifters van der Werf bei der Belagerung von Leiden,
den Tod des Rubens und aufserdem verfchiedene allegorifche Stücke, in welchen
die griechifche Mythologie in ihren verwickeltften Erdichtungen zur Schau
geftellt wurde.

Die edlen Ideen, die Lens in der Kunft der Malerei fo hoch hielt, die
erhabenen Thaten, welche die Franzofen fo gerne in ihren Schöpfungen ver-
herrlichen, erfüllten auch feine Seele, die plaftifchen Formen mit der ihnen von
Natur aus eigenen Kälte und mit den blaffen Farben, welche ihnen die Franzofen
gaben, waren auch feine Ideale; für ihn war wie für feine fiidlichen Meifter
das Zeichnen die Hauptfache, und die Einführung eines tüchtigen Zeichen-
unterrichtes wurde fein Hauptziel, als er zum Leiter der antwerpifchen Akademie
ernannt wurde.

Erft nach der Antike und nach Abgiifsen zu zeichnen, fomit erft das
Ideal zu ftudiren, und dann erft die Natur, war fein Grundfatz. „Man mufs,“
fehreibt er irgendwo, „damit anfangen, das Zeichnen nach den Elementen, die
den fchönflen Antiken entlehnt find, zu lernen, und diefe mit der Natur ver-
gleichen, um von vorneherein die Gebrechen zu entdecken, welche man ver-
meiden mufs, wenn man das Idealfchöne darftellt.“ Mit diefer Hochhaltung
des Idealismus, die fo wenig mit der Ueberlieferung der naturliebenden nieder-
ländifchen Schule übereinftiimmt, wollte er freilich die Farbigkeit der grofsen
Antwerpener Meifter verbinden. „Lafst uns nicht vergeffen“, fchrieb er, „dafs
wir von Antwerpen find, und dafs unfere Schule fich durch ihre Farbe un-
fterblich gemacht hat.“ Wie wir aber aus feinen Werken fehen, war er nicht
im Stande, diefe Verfchmelzung zwifchen claffifcher und niederländifcher Kunft,
die er predigte, auch entfprechend zu verwirklichen. Der zwitterhafte Compro-
mifs feiner Prinzipien verlieh vielmehr auch feinen Werken ein Gepräge von
Zwitternatur, welches die Lebensfähigkeit von felbft ausfchlofs.

Abgefehen von dem Unvlämifchen feiner Richtung leiftete indefs van
Bree als Direktor der Antwerpener Akademie erhebliche Dienfte. 1804 war
er in feine Geburtsftadt zurückgekehrt, in demfelben Jahre wurde er als erfter
Lehrer an der Akademie ernannt, und erbte bei Herreyns’ lode deffen Titel
als Direktor, nachdem er bereits längft zuvor deffen Amt verwaltet hatte. Alle
die ihn gekannt haben find unerfchöpflich, feine ausgezeichnete Begabung für
die ihm an der Kunftfchule übertragenen Obliegenheiten, fein väterliches Wohl-
wollen gegen die Schüler, feine angeborne Anlage, feine unverdroffene Geduld
und die nie erkaltende begeifterte Hingebung im Ertheilen des Unterrichts zu
rühmen. Er war es, der die Antwerpen’ fche Akademie zur erften Kunftfchule
der Niederlande machte, wie er auch die ausgezeichnetften Männer, welche
diefer Schule einen neuen Glanz verleihen follten, unter feinen Schülern zählte.

Van Bree ftand in hoher Gunft am niederländifchen Hofe, arbeitete
wiederholt für den König und war Hofmaler des Prinzen von Oranien. Wie
mit vielen Ritterorden ausgezeichnet, fo war er auch Mitglied mehrer aus-
 
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