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II

Huldvoll der knienden Roma und hiess ihr, sich zu erheben,
Freundlich lächelnd, damit er das schmerzliche Wehe verscheuche,
Sprach er zu ihr die mit heiterer Freud' erfüllenden Worte:

«Traure nicht länger, Du herrliche Stadt, lass fahren den Schmerz nun!

115 Wie kein Pfeil Dir den Schild zu verletzen, noch je der Barbaren
Lanze den nimmer erschütternden Muth zu bezwingen vermocht hat,
So nun beuge Dich nimmer der eingedrungenen Sorge.
Dulde mit Muth, Du Kön'gin der Städte, und quäle das Herz nicht,
Denn durch meine Bemühungen sollst Du noch herrlicher dastelm,

120 Wenn ich dem Tempel erneuert die schön gerundete Kuppel.»

Also sprach er und eilte zum Bau und rasch, wie das Wort war,
Folgte sogleich auch die That, denn er wartete nicht, wie es Brauch ist,
Auf die beschildete Schaar der stets ihn begleitenden Wache,
Bis sie den stolzen Nacken mit goldener Kette geschmücket,

125 Nicht auf den goldenen Stab, der stets dem Herrscher vorangeht,1")
Nicht auf das muthige Heer, geschmückt mit Jugend und Mannheit,
Wie es in schwarzen Schuhen im Kriegesmarsche einherzieht;
Plötzlich eilten herbei von allen Seiten die Männer
Zum vorschreitenden Herrscher. Es stiessen die Schild an einander

130 Der sich drängenden Schaaren und weithin hallte das Echo.

Als er darauf zum Tempel gelangt' und den Grund des Gebäudes
Fest und sicher erkannte, da wandt' er die sorgenden Blicke
Nach der umfassenden Kuppel. Er sah sie und pries des Anthemios13)
Hohe Kunst und Verstand, des Mannes besonnenen Willens.

135 Dieser ja hatte zuerst den Grund zu dem Tempel geleget,
Eifrig dienend dem Willen der unermüdlichen Kön'ge;14)
Stark in der Kunst, das Centrum zu wählen, Entwürfe zu zeichnen,
Gab er den Mauern genügende Kraft, den Kampf zu bestehen,
Wenn des feindlichen Dämons Gewalt sie sollte bedrohen.15)

140 Denn sie gaben nicht nach dem Sturze des ragenden Gipfels,"1)
Sondern stützten den Fuss auf die unerschütterte Basis.
Drum vermocht' er es auch, der Beherrscher des Thrones Ausoniens,
Auf den früheren Mauern den neuen Bau zu errichten
Und der untadligen Kuppel die alte Pracht zu erneuern.

145 Doch wer gäb' es wohl kund, wie er zu dem herrlichen Glänze
Wieder erweckte den Tempel? Wer könnte genugsam die Grösse
Fördernder Weisheit schildern des sceptertragenden Königs?
Nicht berühr' ich, o Fürst, was die bauende Kunst hier geleistet,
Nur des Zieles der Müh'n und der Arbeit, die Du vollbracht hast,

150 Will ich gedenken, des eben vollendeten Wunders, womit die
Göttliche Liebe die Augen der schauenden Menge bezaubert.
Denn selbst wer mit Erstaunen den leuchtenden Himmel betrachtet,
Kann nicht lange mit übergebogenem Nacken die Blicke
Richten empor zur gewölbeten Flur im Sternengewande,

155 Sondern er wendet das Auge zurück zu dem grünenden Hügel,
Und er sehnt sich zu schau'n den blumenumgürteten Bergstrom,
Aehrenreiches Gefild' und das Schirmdach laubiger Wälder,
Hüpfende Heerden zudem und den rundumschattenden Oelbaum,
Saftige Reben durch grünes Gezweig der Bäume sich schlingend

160 Und die heitere Stille, die über dem bläulichen Meer ruht,

Nur von den Rudern durchfurcht des die Fluth durchziehenden Schiffers.
Aber wer einmal den Fuss in den göttlichen Tempel gesetzt hat,
Will ihn nicht wieder verlassen, da ihn das bezauberte Auge
Zwinget, nach allen Seiten den biegsamen Nacken zu wenden;

165 Nimmer ermüdet das Auge, die Pracht des Innern zu schauen.
Solchen Tempel hat nun vollendet der immer bewachte17)
König und Herr mit des ewigen Gottes gnädiger Hülfe.
Denn es ist Dir, o Fürst, um Deiner Bestrebungen willen
Christ, der Gelobte, immerdar gnädig. Du wolltest nicht thürmen

170 Auf des Olympos erhabenes Haupt den felsigen Ossa,18)
Ueber des Ossa kuppigen Nacken nicht wälzen den Pelion,
Um der Sterblichen Tritten den Weg zu dem Himmel zu bahnen.
Denn nachdem Du vollendet mit heiliger Mühe das Werk hast
Ueber Erwarten, bedarfst Du nicht weiter der Höhen der Berge,

175 Um in den Himmel zu steigen, Du wandelst auf gradestem Wege
Zu dem göttlichen Thron von der Frömmigkeit Schwingen getragen.

Doch was soll ich noch zögern, den Tag des Festes der Freude
Nun zu feiern? Wozu noch das Reden ausser dem Tempel?
Lasset uns gelm und preisen den Herrn in dem Hause! Ihr Priester,

180 Flehet ihn an, mir zu sein ein gnädiger Helfer der Rede!

Kurz erst ruhte die Sichel, die ihre Schärf in dem Weinberg
Hatte verloren und harrte der Garben des künftigen Frühlings.
Helios lenkte vom Notos empor die Zügel der Rosse

Hin zu der kälteren Bahn des dem Meer entsteigenden Steinbocks.

185 Als er so eben verlassen die Strasse des traurenden Schützen.
Da nun erschien der herrliche Morgen, es thaten sich rauschend
Auf die unsterblichen Pforten des jüngst vollendeten Hauses,
Ladend zu sich das Volk und den mächtigen Herrn. Wie die dunkle
Nacht allmählig entweicht vor der Helle des wachsenden Tages,

190 So auch war sie verschwunden, als stand im Lichte der Tempel,
Jene schmerzliche Nacht; es strahlte die Sonne der Freude.
Da geziemte es Dir, o Fürst, es geziemte Dir, Roma,
In dem Beginn des erhabenen Gott geweiheten Festes
Eurem Volke zu öffnen die Pforten des göttlichen Tempels.

195 Es geziemte sich wohl, dass nach dem Tage der Feier
Folgte der Tag der Weihegeburt des Herren und Heilands.

Und vollbracht war die Nacht, die dem festlichen Morgen voranging,
Hohe Freude verkündend. Es hatte der göttliche Herold19)
Schon empfangen des wachenden Chores Gesang in den neuen

200 Göttlichen Hallen des Schiffes, wo sie mit heiliger Stimme
Hatten die Nacht hindurch dem lebenschaffenden Heiland
Ununterbrochen ihr Lob gesungen in jubelnden Hymnen.
Als nun aber der Morgen den dunkelen Schleier gelüftet
Und mit dem leuchtenden Strahl das Gewölbe des Himmels geröthet,

205 Da versammelte sich das Volk, und die Diener des Thrones

Kamen herbei, den Befehlen des mächtigen Herrschers gehorchend,
Bringend Christus, dem König, ihm wohlgefällige Gaben,
Um mit flehender Stimme die göttlichen Hymnen zu singen,
Jeder in seiner Rechten die weisse brennende Kerze.

210 Und es folgte als Führer des heiligen Chores der Priester,
Den Ausoniens seeptertragender Fürst als den Würdigen
Für den Tempel berufen. Die Menge füllte die weiten
Strassen der Stadt. Es wallte das ganze Volk zu dem Tempel,
Darzubringen das Opfer des Danks und jeglicher glaubte,

215 Heilige Hallen des Himmels mit seinem Fuss zu betreten.

Oeffnet mir nun die göttlichen Pforten, ja öffnet Ihr Priester,
Oeffnet nun unserer Rede das Inn're des heiligen Hauses!
Auch begleitet das Wort mit Gebet, denn es werden nun alle,
Die in den Tempel gelangen, auf Euch hin richten die Blicke.

220 Dreifach öffnen nach Morgen sich halbe Bogen des Kreises.
Ueber dem oberen Rand der senkrecht stehenden Mauern
Strebet empor ein Viertheil der vierfach getheileten Kugel,
Gleichend der Wölbung, die über dem Kopf mit dreifachem Helmbusch
Bildet der stolze Pfau mit dem augereichen Gefieder.

225 Conche nennen die Wölbung die kunstverständigen Männer.

Fragst Du warum? Die Künstler allein wohl mögen es wissen,
Ob der besonderen Art von Wölbung der Name ertheilt ist,
Von der Muschel des Meeres, oder aus technischen Gründen.
Aber die mittlere Muschel umschliesst die Sitze der Priester

230 Sammt den Stufen im Bogen umher, also dass von diesen
Sich die untersten Reih'n um des Kreises Centrum am Boden
Enger ziehen zusammen, jedoch die oberen Stufen
Sich allmählig erweitern, bis sie die silbernen Sitze
Und die umgebende Wand erreichen in grösserem Umfang.

235 Darauf folget ein Raum, der von senkrecht stehenden Mauern
An den Seiten begrenzt, nach oben aber gewölbt ist,
Nicht in Kugelgestalt, nein, gleichend dem halben Cylinder.
Diesem schliessen, mit je zwei Säulen nach Abend gewendet,
Andere ähnliche Conchen sich an zur Rechten und Linken,

240 Gleichsam als streckten sie aus die beiden gebogenen Arme,
Um die Chöre der Sänger in ihrem Schoss zu umfangen;
Und sie werden gestützt von den goldenen Häuptern der Säulen,
Welche, in bunten Gebilden abstrahlend die Blume des Purpurs,20)
Tragen, im Halbkreis stehend umher, des Bogens der Wölbung

245 Mächtige Bürde. Bei Theben, der Stadt an dem Strome des Niles,
Sind sie auf felsiger Kuppe des hohen Gebirges gebrochen.
Säulen, je zwei, unterstützen auf beiden Seiten die Wölbung
Beider Apsiden; jedoch im unteren Räume der Conchen
Hat der verständige Künstler noch kleinere Bogen gewölbet

250 Neben einander, drei an der Zahl, die da werden getragen

Von den Häuptern der Säulen im Glänze des Erzes und Goldes
Schön gemeisselt zu schauen, den traurenden Blicken ein Labsal.
Ueber den porphyrnen stehen im zweiten Geschosse noch andre
Säulen, strahlend in Blumen des grünen thessalisehen Marmors.21)

255 Da nun erblickest Du, schauend empor, der betenden Frauen
Zierliche Hallen, die alle mit Kuppelgewölben bedeckt sind;
 
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