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VIII

Allen Stufen, wie auch den Schwellen und selber den Säulen
Hat der kundige Mann, um Sicherheit allen zu geben,
Untergelegt die festere Basis der steinernen Sohle,

130 Ragend über den Boden um Einen Fuss in die Höhe.

Doch um den Bau des herrlichen Hauses noch zu erweitern,
Hat der Künstler den Rumpf zu den beiden Seiten im Halbkreis
Auch mit Marmor umgeben und zwar mit stattlichen Säulen,
Die gleichfalls von einander gesondert im Bogen gestellt sind,

135 Also dass sich erweitert der Raum des zierlichen Baues

Durch vier köstliche Säulen, dem Boreas zu und dem Notos,
Und die schirmenden Schranken zu beiden Seiten umschliessen
Hier wie auch dort das Haus der inmitten liegenden Grotte.
Auf mygdonischer Höh' in dem weiten Lande der Phryger67)

140 Sind von den kundigen Männern die lieblichen Säulen mit starkem
Eisen gebrochen, und wer die zierlichen Blumen des Marmors
Schauet, wird meinen, dass Rosen und weisse Lilien sich mischen
Mit Anemonen im Schmucke der nur kurz dauernden Blüthen,68)
Hier in glühendem Roth und im sanften Weiss des Gesteines,

145 Dort in leuchtendem Weiss und in blasser Rothe der Rosen.

Hier und dort sind die Adern von zarten Fasern durchschnitten;
Sanft sich windend umher und durcheinander gegossen,
Färben Gebilde sie roth mit dem Blut der lakonischen Muschel.
Unter die Säulen gelegt ist der Sockel von weiterem Umfang,

150 Künstlich gebildet und strahlend in rund gebogener Windung.
Auf den Sockel gestellet sind feste marmorne Würfel,
Aus dem schönen Gestein bosporischer Felsen gemeisselt;
Lichtweiss schimmert sein Glanz, doch so, dass in einzelnen Linien
Dunkele Adern durchziehen die silbern leuchtende Fläche.

155 Zwiefaches Bildwerk zieret auf jeglicher Seite den Würfel.
Oben stehet ein Hals von schöner und zierlicher Rundung,
Welchen der Stahl toreutischer Kunst anmuthig geschaffen,
Dass auf ihn und den Grund des darunter stehenden Würfels
Stelle den Fuss unerschüttert die herrlich ragende Säule.

160 Anmuth strahlet umher durch die weiten Räume des Schiffes
Von den stattlichen Säulen auf wohlgeglätteten Würfeln.
Gleichwie, wenn an dem Morgen die neu aufgehende Sonne
Färbet das weisse Gewölke mit ihren röthlichen Strahlen,
So auch schimmern die vier in dem Halbkreis stehenden Säulen

165 Sanft in röthlichem Licht. Um des Bogens andere Hälfte
Sind auch wie dort vier Säulen gestellt, um so zu vollenden
• Rings das marmorne Kleid der zierlich gebaueten Grotte.
Alle die Räume, die zwischen den je vier Säulen verbleiben,
Hat der verständige Meister geschlossen durch marmorne Schranken,

170 Die nach der Form des Rumpfes der Grotte ein wenig gekrümmt sind.
Auch die heilige Stadt entsandte zu diesen den Marmor,
Denn es ziemte sich wohl, dass der Stein, der den Bau des geweihten
Hauses umgiebt, gleichfalls auch den Namen des heiligen trage.
Neben des Halbrunds äusserstem End' erblickst Du die Thüre,

175 Sanft gekrümmet, aus welcher hervor der geweihete Mann tritt,
Um zur Höhe hinauf mit den heiligen Büchern zu steigen.

Alle Formen der Grotte, der Säulen, Basen und Schranken
Gleichen einander, sowohl auf der Seite des glühenden Notos,
Als auch des stürmischen Nords; doch die Thüren stellte der Künstler

180 Nicht auf die eine der Seiten allein, denn es stehet.gen Abend
Eine von ihnen, die andre gen Morgen und jene sich öffnend
.Nach dem Boreas zu, und diese zum leuchtenden Mittag.09)
Aber die Schranken sind nicht von der Höhe der stattlichen Säulen,
Sondern sie ragen so weit nur über die zierliche Basis,

185 Als den Männern genügt, sich im Räume der Grotte zu bergen.
Doch die gemeisselten Häupter der acht umstehenden Säulen
Ragen über die Schranken hervor, obgleich sie mit ihnen
Stehn auf der gleichen Höhe der ihnen gemeinsamen Basis.
Von den mit Gold durchwundenen Häuptern strahlet hernieder

190 Leuchtender Glanz, wie das Licht der goldenen Scheibe der Sonne,
Wenn mit den blitzenden Pfeilen sie trifft die Kuppen der Berge.

Alle ragenden Häupter umgiebt als Schmuck ein gewundner
Hölzerner Kranz, der über den herrlichen Säulen umherläuft,
Und gleich Einem umschlingenden Bande verbindet die Häupter

195 Aller Säulen, wiewohl sie stehen von einander gesondert.

Ueber dem Kranze erblickst Du die Bäume mit feurigen Büscheln,
Denen die Blume des Feuers entstrahlt von den silbernen Zweigen.
Aber nicht frei entsendet der Stamm die sich windenden Aeste,
Sondern er steiget empor, gleich wie ein umränderter Kegel,

200 Schwer beladen mit Lichtern. Von weiterem Kreise beginnend,
Schleicht er verstohlen hinauf allmählig zur äussersten Spitze.
Da auch erblickst Du die Seiten des weit umfassenden Gürtels,
Wie sie mit sapphirfarbenem Schmucke getüncht, und umkränzt sind
Von dem Glänze der goldenen Blätter des rankenden Epheu's.

205 Nach des Zephyrs Behausung und der des funkelnden Eurus
Steht auf den beiden Seiten ein Kreuz von Silber errichtet,
Wo viel Tausende feuriger Lichter in einzelnen Buckeln
Hält zusammen ein Stab, an äusserster Spitze gekrümmet,
Gleichend der schön gebogenen Form des Stabes der Hirten.

210 Also leuchtet im Schmucke mit doppelter Treppe der Ambon,
Denn so nennen sie ihn, als auf heiligen Wegen ersteigbar,
Ilm, auf welchen das Volk andächtig die schauenden Blicke
Richtet, wenn es vernimmt die göttlichen Worte der Weihe.
Auch für die Stufen sogar ist ohne Bedacht nicht der Marmor

215 Ausgewählet, denn mancherlei Adern durchziehen die weisse
Fläch' und färben sie gleich dem Blute der Muschel des Meeres
Lieblich in Purpurroth. An den marmornen Stufen der Treppe
Hat für die Tritte der Männer der Künstler die obere Seite
Rauh gelassen, damit sie bieten dem Fusse die Stütze

220 Und bei dem Niedersteigen der leicht ausgleitende Wandrer
Nicht von oben etwa jählings bis zum Boden entstürze.
So, wie nach fester Regel, auf eingereiheten Stufen
Folgt dem Steine der Stein allmählig hinauf bis zur Höhe,
Dass des Steigenden Tritt in sicherem Wechsel sich stütze.

225 Wie aus den brausenden Wogen des Meeres die Insel hervortritt,
Reich mit den Aehren des Feldes geschmückt und den Trauben des

Weinstocks,

Heiter blühenden Wiesen und schön bewaldeten Bergen —
Glücklich preist sie der Schiffer, vorüber lenkend die Barke,
Alle die Leiden im Herzen erwägend beschwerlicher Seefahrt —
230 Also ragt aus der weiten Mitte des herrlichen Schiffes
Hoch hervor auf Steine gethürmt der erhabene Ambon,
Reich geschmückt mit den Blumen des Steins und dem Zauber des

Kunstwerks.

Aber es stehet der Bau nicht ganz in der Mitte, gesondert
Gleich der Insel, die rings von den Wogen des Meeres umschlossen,

235 Sondern er gleichet vielmehr von der See umspületem Lande,

Das, in die graue Fluth und die brandenden Wogen vom Isthmos
Vorgeschoben, noch hängt mit dem Ufer der Feste zusammen,
Also, dass es deshalb den Namen der Insel verlieret,
Weil es, zwar von des Meeres gewaltiger Strömung umrauschet,

240 Doch durch den Isthmos bleibt mit den Hügeln der Küste verbunden.
Also auch dieser Bau, denn es führt von der letzten der Stufen
Jener Treppe nach Morgen ein langer Gang durch die Mitte,
Bis er zum doppelten Thor der silbernen Schranken gelanget
Und mit dem Sockel sich nahet der heiligen Stätte des Opfers,

245 Aber von ihr durch Wände auf beiden Seiten getrennt bleibt.
Auch nicht schützet die Seiten des Ganges ein hohes Geländer,
Denn es reichet nicht höher hinauf als zum Gürtel des Mannes.

Diesen Weg nun durchschreitet, das Buch der fröhlichen Botschaft
Tragend, der heilige Mann, wenn um ihn von dem Drange der Menge,

250 Welche sich naht, Ehrfurcht zu bezeugen dem ewigen Gotte
Und mit Lippen und Händen das heilige Buch zu berühren,
Brausend sich bricht die gewaltige Woge des wimmelnden Volkes.
Also dehnet sich aus, vorspringendem Isthmos vergleichbar,
Dieser Gang, der da führt zum erhabenen Tische des Herren

255 Ihn, den heiligen Mann, nachdem er die Warte verlassen.

Von thessalischem grünlichen Stein sind die Schranken des ganzen
Pfades erbaut. Es ergötzt sich der Blick an der blumigen Anmuth,
Welche den Marmor schmückt. Zu den Seiten jeglicher Säule
Von thessalischem Stein sind wechselnd noch andere Säulen

260 Gleicher Höhe gestellt, doch nicht Cylindern vergleichbar,

Vielmehr würde der Kenner der Messkunst sie nur als Würfel

Von bedeutender Höh' und geringerer Breite bezeichnen.

Aus molossischem Stein sind auch die bindenden Gurten

Von dem kundigen Meister gebildet, doch so dass sie wechselnd

265 Sich einfügen dem anderen Steine, der auch zu dem Baue

Aus den Gruben der Berge des phrygischen Landes entnommen.
Wer sein Herz zu erfreu'n mit forschenden Blicken umherschaut,
Sieht, wie im herrlichen Stein sich Schlangenlinien winden
Und in sanfteren Wellen sich hierhin und dorthin bewegen.

270 Roth und Weiss und die Farbe, die von den beiden sich mischet,
 
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