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1858.J

BESTE METHODE 7.VK HI!M''.ltNI,X(: HKS (illlECHISCHES.

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Unterdessen nahmen meine kaufmännischen Geschäfte in Petersburg
und Moskau einen stets günstigen Fortgang. Ich war als Kaufmann
ungemein vorsichtig; und obgleich ich bei dem schrecklichen Krach <\w
furchtbaren Handelskrisis des Jahres 1857 auch von einigen harten
Schlägen betroffen wurde, so tliaten mir dieselben doch keinen erheb-
lichen Schaden, und selbst jenes unglückliche Jahr brachte mir schliess-
lich noch einigen Gewinn.

Im Sommer 1858 nahm ich mit meinem verehrten Freunde Professor
Ludwig von Muralt1 in Petersburg meine Studien der lateinischen Sprache
wieder auf, die fast 25 Jahre lang geruht hatten. Jetzt, wo ich Neu-
und Altgriechisch konnte, machte mir das Lateinische wenig Mühe und
ich hatte es mir bald angeeignet.

So möchte ich denn für Gegenwart und Zukunft allen Directoren
von Gymnasien dringend empfehlen, die von mir befolgte Methode in
ihren Anstalten einzuführen, die Kinder zuerst von Lehrern, die gebo-
rene Griechen sind, im Neugriechischen unterrichten und sie Alt-
griechisch erst anfangen zu lassen, wenn sie die moderne Sprache
geläufig sprechen und schreiben können, was in ungefähr sechs Mo-
naten erreichbar sein wird. Dieselben Lehrer können dann auch den
Unterricht in der alten Sprache ertheilen; wenn sie meine Methode
befolgen, werden sie intelligente Knaben schon in einem Jahre dahin
bringen, alle Schwierigkeiten bewältigt, das Altgriechische wie eine
lebende Sprache erlernt zu haben, alle Classiker verstehen und sich
mit Leichtigkeit schriftlich über jedes in ihrem Bereich liegende Thema
ausdrücken zu können.

Ich verfechte hier nicht leere Theorien, sondern vertheidige unwider-
legliche Thatsachen; und deshalb verdiene ich wol, gehört zu werden.
Für ein schreiendes Unrecht erkläre ich es, dass man heute noch
Knaben acht lange Jahre hindurch mit dem Studium einer Sprache
plagt, von der sie beim Verlassen der Schule im allgemeinen kaum
mehr wissen als am Anfang. ^Yas speciell die englischen Anstalten
betrifft, so ist bei ihnen der Hauptgrund des LTebels zunächst in der
willkürlich angenommenen abscheulichen englischen Aussprache des
Griechischen zu suchen -; dann aber in der grundfalschen Methode.

rector desselben mit meinem Lateinisch sc
zufrieden, dass ich bis zu meinem Abgange

von der Schule sein besonderer Liebling
blieb. Andererseits aber konnte der grie-
chische Lehrer, Professor Grieben, welcher
Theologie studirt hatte, so wenig hegreifen,
wie jemand im Stande sein sollte, eine
gute griechische Uebersetzung anzufertigen,
ohne die Buttmann'sehe Grammatik aus-
wendig zu wissen, dass er mich geradezu
des Betruges beschuldigte; selbst als er
trotz all seines Aufpassens nie irgendein
unerlaubtes llülfsmittel bei mir entdecken
konnte, verfolgte er mich doch mit seinen
unausgesetzten Verdächtigungen bis zum
Abiturientenexamen. Bei demselben exa-
minirte er mich aus dem Neuen Testament
(griechischen Textes): als ich gut bestand,

erklärte er den versammelten Lehrern, die
mir einstimmig ein günstiges Zeugniss er-
theilten, dass er gegen mich stimmen müsse,
da ich nicht die moralische Reife für die
l mversit it besisse. /um Olm k bh-jb discer
Protest ohne Wirkung. Nachdem ich das
Examen bestanden hatte, setzte ich mich
hin und lernte ohne jede Hülfe die ita-
lienische Sprache."

1 Professor von Muralt wohnt jetzt in
Lausanne in der Schweiz.

' Das Griechische wurde vor 900 Jahren
genau so ausgesprochen wie im beutigen
Griechenland, denn als im Jahre HSS n. Chr.
Russland das griechische Christcnthum an-
nahm, gingen gar viele griechische Namen
und auch eine Anzahl griechischer Worte
in die russische Sprache über, in welcher

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