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ANHANG I.

TROJA UND HISSARLIK.

VON

PROFESSOR RUDOLF VIRCHOW,

Es war im Anfange des vorigen Jahres, als mich Dr. Schliemaim auf-
forderte, ihm bei seinen Forschungen auf Hissarlik und in der troischen
Ebene Hülfe zu leisten. Trotz mancher Bedenken entsehloss ich mich zu der
etwas weiten Reise. Wie hätte ich widerstehen können!

Eine trojanische Reise — wie viele berauscht schon der Gedanke daran!
Männer aus allen Berufskreisen haben sich mir als Reisegefährten angetragen,
als es bekannt wurde, dass ich das gepriesene Land besuchen wolle. Und doch
handelte es sich nicht um eine Reise, wie etwa nach der Schweiz, die man
um des Landes wegen macht und bei der man gelegentlich auch wol das Eütli
und Küssnacht, Sempach und Laupen, Murten und Sanct Jakob an der Birs sieht.
Die trojanische Reise macht man um der llias willen. Die Gestalten, welche
der Dichter hervorgezaubert hat, erfüllen schon im voraus die Phantasie des
Reisenden. Er will die Stätten sehen, wo der lange Kampf um Helena aus-
gofochten wurde, die Gräber, wo die Heroen bestattet sind, welche in dem
Kampfe das Leben einbüssten. Achillcus und Hektor stehen im Vordergründe
des lebensvollen Bildes, welches noch jetzt, wie vor Jahrtausenden, dem Geiste
jedes gebildeten Jünglings sich einprägt. Freilich, wie viel mehr bestimmend
mochte dieses Bild im Alterthum wirken! Selbst Xerxes, als er in der höchsten
Fülle seiner Macht gegen Griechenland zog, konnte dein Znge dieser Erinne-
rungen nicht widerstehen: während sein Heer von Adramyttion nach Abydos
zog, suchte er die Trümmer von llion auf und opferte daselbst tausend Stiere
der Athene. Und Alexander hinwiederum, als sein Heer in siegreichem Vor-
dringen gegen Asien den Ilellespont übersehritt, wendete alsbald seine Schritte
zum Grabhügel Achill's, um von da Stärke und Siegeszuversicht zu holen. So.
grosse Besucher sind freilich später nimmer wieder gekommen, aber etwas von
den Gedanken des Xerxes und des Alexander regt sich doch in jedem, der
den troischen Boden betritt. Man kann den poetischen Hauch eben nicht
wegwischen, welcher über die ganze Landschaft gelegt ist.

Aber man darf sich auch nicht vorstellen, es sei nur dieser poetische
Hauch, welcher das Interesse der Reisenden erregt. Ehe noch die llias mit
ihrem grossen und vollen Sagenkreise entstand, gab es schon eine Reihe volks-
thümlichcr Reisegeschichten, welche die Troas berühren. Der Name des Helles-,
pont knüpft an eine der ältesten Uebcrlieferungen der griechischen Sage an:
Helle und ihr Bruder zogen von ßöotien aus über das Meer gen Nordosten,
und als sie an die troische Küste kamen, da stürzte Helle in das Meer (Pontus),
und nur ihr Bruder Phryxos erreichte das ferne Kolchis, wo das Goldene Vliess
von ihm aufgehängt ward. Dann kamen die Argonauten, um dieses Vliess zu
holen, und der grosse Herakles, dessen Thaten an der troischen Küste schon
an das Königsgeschlecht des Priamos. anschliessen. Noch jetzt zeigt man am
 
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